Vor Jahr und Tag
seiner Knarre war die Seriennummer abgefeilt.«
»Ohne Scheiß. Hatte er noch was bei sich?«
»Nichts dabei. Aber sein Mietwagen stand auf dem Parkplatz, und man hat seinen Geldbeutel samt Ausweis und Kreditkarten im Handschuhfach gefunden.«
Hayes hängte auf und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Clancy war also tot. Wie zum Teufel konnte das passieren? Er war einer der Besten gewesen.
Überdies hatte man nichts bei ihm gefunden, was bedeutete, daß er das Buch nicht aufgestöbert hatte. Hayes bedauerte, daß er das Buch nicht bei sich gehabt hatte; es wäre dann zwar jetzt in Polizeigewahrsam, aber er wüßte zumindest, wo es war, und es da rauszubekommen, wäre ein Kinderspiel für ihn.
Karen Whitlaw wuchs sich allmählich zu einem Problem aus. Das war schon das zweite Mal, daß die Dinge schiefliefen. Das erste Mal war ein dummes Versehen gewesen, aber mittlerweile fragte er sich, warum sie umgezogen war. Damit man sie nicht so leicht fand? Was wußte sie von ihrem Vater?
Hayes’ Hauptziel war es, das Buch zu finden, nicht, die Frau zu töten. Aber logischerweise war sie die einzige, die wußte, wo das verdammte Ding versteckt war. Wenn er das Buch nicht finden konnte, mußte er sie wohl oder übel aus dem Weg räumen.
15
»Jetzt weißt du also, wo das Problem liegt, Raymond«, sagte Senator Lake. Der bullige, grauhaarige Mann nickte. Sie saßen zusammen im Foyer des Washingtoner Stadthauses von Senator Lake und tranken eine morgendliche Tasse
Kaffee. Raymond hatte gestern noch einen Nachtflug aus Minneapolis genommen und war weit nach Mitternacht in Washington eingetroffen, so daß der Senator ihm hatte ausrichten lassen, er solle sich erst einmal ausschlafen, man würde morgen miteinander reden.
Der Senator war für seine Verhältnisse spät aufgestanden; er hatte bis acht Uhr geschlafen, jetzt war es schon halb elf, und die Morgensonne schien heiß und blendend herein. »Ich hatte von vornherein ein ungutes Gefühl bei der Art und Weise, wie Hayes mit der Medina-Sache umging«, sagte er langsam, »und jetzt sieht es so aus, als hätte er mich angelogen, damit ich die Dinge so mache, wie er es will. Ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum Frank Vinay bestreiten sollte, vom Tod Medinas erfahren zu haben, wenn er es in Wirklichkeit doch hat, oder warum er behaupten sollte, Medina habe keine Angehörigen, wenn er doch welche hat. Ich hab doch nicht nach Geheiminformationen gefragt, und außerdem bin ich immer noch Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Senats.«
»Hayes muß eigene Pläne verfolgen«, sagte Raymond, die dicken Brauen nachdenklich gerunzelt. Er sah aus wie ein Boxer, der ein paar Runden zuviel hinter sich hatte, aber hinter seinem häßlichen Äußeren versteckte sich ein äußerst agiler Verstand.
»Das hab ich mir auch schon gedacht. Ich frage mich, ob er vielleicht nach etwas sucht, womit er mich erpressen kann. Auf die Idee könnte Whitlaw ihn gebracht haben.« Das einzig Gute an dem ganzen Schlamassel war, dachte der Senator, daß es bedeutete, Hayes’ Handlanger hatten das Buch noch nicht entdeckt, denn wenn Hayes das Buch gefunden und selbst behalten hätte, dann müßte er nicht länger suchen, dann hätte er ausreichend Grund, ihn zu erpressen.
»Sie wissen, was ich davon halte, Dinge nicht zu Ende zu bringen.« Raymond schüttelte den Kopf. »Es ist gefährlich. Man sollte sich nicht auf Leute verlassen, denen man nicht vertraut. Sie sagten, Hayes setzte Leute ein, die Sie nicht kannten, um Medina zu beseitigen?«
»Ja. Er schwor, sie wüßten nichts von mir, daß sie ihn für den Kopf der Sache hielten, aber wenn er mich einmal angelogen hat, kann ich nichts mehr glauben, was er mir erzählt.«
»Lassen Sie sich ihre Namen von ihm geben«, sagte Raymond. »Ich kümmere mich darum.«
Das hatte Raymond immer getan. Senator Lake konnte sich erinnern, als er noch klein war, den bulligen Mann ruhig zu seinem Vater sagen gehört zu haben: »Ich kümmere mich darum«, und sein Vater hatte dann immer lächelnd genickt, und die Sache war erledigt gewesen. Es gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, diese Worte jetzt wieder zu hören und zu wissen, daß seine Angelegenheiten in den Händen eines Mannes waren, dem er sein Leben anvertrauen konnte.
»Haben Sie Hayes’ Adresse?«
»Ja, natürlich.« Die hatte der Senator herausgefunden. Er hatte sie jedoch weder in sein Adreßbuch geschrieben noch seine Sekretärin gebeten, sie in seine Computerdaten
Weitere Kostenlose Bücher