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Vor Jahr und Tag

Titel: Vor Jahr und Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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gut wie ausgeschlossen war. Wie Detective Chastain gesagt hatte, das konnte kein Zufall sein.
    Aber John war ein kühler, penibler Denker, was ihn ebenso wertvoll wie gefährlich machte. Er wog Möglichkeiten ab, rechnete Chancen aus und sah Schattierungen und Details, die anderen entgangen wären. Es gab nicht viele Menschen, denen Jess McPherson vollkommen ver-traute, doch John Medina gehörte zu ihnen, genauso wie Frank Vinay. Und Rick Medina hatte ebenfalls auf dieser Liste gestanden. Ihn zu verlieren tat verdammt weh.
    »Ich werd dasein«, brummte er und brach die Verbindung ab.
    Marc warf einen Blick auf seine Uhr: neun Uhr fünfundvierzig. Der erbärmliche kleine Körper, der auf dem Autopsietisch lag, erzählte eine Schreckensgeschichte, ein kurzes Leben voller Leid und Angst. Er hatte in den Krankenhäusern der Umgebung nachgeforscht und festgestellt, daß der Junge so oft in die Notaufnahmen eingeliefert worden war, daß einem normalen Menschen einfach schlecht werden konnte. Allein in diesem Jahr hatte der kleine James Blake Gable zehn »Unfälle« gehabt, Unfälle, die so schwer waren, daß er ins Krankenhaus gemußt hatte. Die Gables hatten versucht, unnötige Aufmerksamkeit zu vermeiden, indem sie jedesmal in ein anderes Krankenhaus fuhren. Einem der Ärzte hätten dennoch die deutlichen Spuren von Mißhandlung auffallen müssen, doch offenbar war das nicht der Fall gewesen.
    Und was war mit der Verwandtschaft? Hätten nicht entweder Mr. oder Mrs. Gables Angehörige merken müssen, daß etwas nicht stimmte? Hatten sie nicht gemerkt, daß ihr Enkelsohn langsam, aber sicher ermordet wurde oder daß Mrs. Gable sich mehr und mehr zurückzog? Natürlich hatten sie. Was Marc bloß nicht verstand, war, wie sie die Dinge so einfach auf sich hatten beruhen lassen können, sie ignorieren, vielleicht in der Hoffnung, daß sich doch noch alles bessern würde. Nun, die Dinge besserten sich immer nur dann, wenn jemand einschritt. Und jetzt war es zu spät für den kleinen Jungen, und Marc hatte das dumpfe Gefühl, daß auch für Mrs. Gable die Zeit knapp wurde.
    Er warf erneut einen Blick auf seine Uhr. Trotz all der Dinge, die er um die Ohren hatte, mußte er unbedingt Karen anrufen. Der Drang danach war so stark, daß es ihm den Magen zusammenzog und ihn ganz angespannt und nervös machte. Es war nicht bloß so, daß er die Dinge zwischen ihnen klarstellen wollte; er fühlte sich rastlos und unbehaglich.    
    Er hatte seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr mit ihr gesprochen, und auf einmal kam es ihm vor, als wären das vierundzwanzig Stunden zuviel. Er wollte wissen, ob es ihr gutging, wollte ihr sagen, was er fühlte, sie irgendwie wieder zurück nach New Orleans holen. Vielleicht lag’s ja daran, daß die CIA, in Form von Mr. McPherson, aufgetaucht war, um herumzuschnüffeln, nachdem er Shannon gebeten hatte, in der Medina-Sache ein paar Erkundigungen einzuholen. Alles am Mord an Dexter Whitlaw war ihm von Anfang an komisch vorgekommen, die saubere Art und Weise, in der das Ganze vonstatten gegangen war, die lautlose Art, die auf Schalldämpfer schließen ließ, die teure Waffe, die Whitlaw bei sich gehabt hatte. Das alles bekam plötzlich einen ganz anderen Stellenwert, wenn man es im Licht der Tatsache betrachtete, daß er das andere Mordopfer gekannt hatte, das zufälligerweise für die CIA tätig gewesen war. Ein einfacher Straßenmord hatte sich zu einem komplizierten Fall ausgeweitet.
    Aber nein, das war’s gar nicht. Er bemühte sich, sich wieder auf die Autopsie zu konzentrieren, aber die Anspannung in seinem Bauch wollte nicht nachlassen. Sobald das hier vorbei war, würde er sie anrufen. Das hätte er schon längst tun sollen. Was spielte es für eine Rolle, daß er sich eigentlich erst beruhigen müßte; was er wirklich tun mußte, war, sie anrufen. Das war schon der zweite Fehler, der ihm da unterlief, überlegte er grimmig. Der erste war ge-wesen, sie gestern früh im Bett allein zu lassen, der zweite, sie nicht sofort anzurufen und zwar solange, bis sie selbst dran war und nicht der verdammte Anrufbeantworter.
    Sein Funkgerät erwachte knackend zu Leben. Dr. Pargannas blickte auf und warf ihm einen ärgerlichen Blick zu; er haßte Unterbrechungen. Marc hörte, wie der Code für einen möglichen Mord im Garden District durchgegeben wurde. Die Adresse kannte er. »Verflucht! Der Hurensohn hat seine Frau umgebracht!« Er spuckte die Worte förmlich aus, bevor er aus dem Autopsieraum

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