Vor meinen Augen
weil sie Krebs hatte und sterben musste. Dann schaltete ich auf einen anderen Kanal und sah mir eine FURCHTBARE Dokumentation über weibliche Bodybuilder an.
Nach den Bodybuildern kamen die Nachrichten. Es gab ein neues Selbstmordattentat in Afghanistan. Fünfundzwanzig Menschen wurden ermordet. Einfach so. Weil es eben so ist: Leute sterben, und es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Die Enden der Welt schienen plötzlich so viel dunkler. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen. Wie kann die Welt so sein? Warum tun Menschen so furchtbare Dinge? Es macht einfach keinen Sinn. Ich konnte nicht atmen. Ich übergab mich. Danach ging es mir auch nicht besser.
Wir gehen für den Rest der Woche zu den Haywoods. Katherine muss Mitleid mit uns gehabt haben, denn als sie gerade anrief, bin ich ans Telefon gegangen und hörte mich wohl ziemlich kaputt an. Mum klang wahrscheinlich auch nicht viel besser. Jedenfalls hat Katherine uns auf der Stelle eingeladen.
Sonntag, 19. März
Gerade sind wir von den Haywoods zurückgekommen. Ich verbrachte die meiste Zeit als drittes Rad am Wagen mit Lucy und Kai. Wenn ich sie zusammen sah, musste ich an Dan denken, was total blöde ist. Ich wünschte aber, ich hätte jemanden. Und ich wünschte, es wäre Dan. Ich habe nichts mehr von ihm gehört, seit ich seinen Anruf verpasst habe. Soll ich ihn vielleicht doch zurückrufen?
Dieses Wochenende fand ich heraus, dass Lucy ein Blog hat. Es ist irgendwie merkwürdig, dass sie der ganzen Welt alles erzählt, was ihr passiert, während sie keine Worte findet, mir irgendetwas zu erzählen. Ich kann mir nicht vorstellen, ein Blog zu schreiben und all meine geheimen Gedanken dort reinzustellen, damit jeder sie lesen kann. Ich habe schon mal mein eigenes Blog erstellt, aber ich konnte kein Wort schreiben. Es war, als ob mir jemand die Hände auf den Rücken hielt; der Gedanke, dass all die Leute da draußen es lesen könnten, machte mich fertig. Viele Leute haben ein Blog. Ich weiß, dass die blöde Megan eins hat, aber ihres ist SO albern, dass ich lieber auf der Stelle umfallen möchte, als es zu lesen. Sie hat für alle total blöde, erfundene Namen, und es geht immer nur um ihr langweiliges Leben. Einmal hat sie etwas über Abigail geschrieben (und den Namen Annabel benutzt), und Abigail wurde richtig sauer.
Es ist wirklich eigenartig, nicht mit Abigail befreundet zu sein.
Lucys Blog ist viel besser als Megans. Sie hat sogar einen Preis dafür bekommen, und viele Leute lesen es. Ich nehme mir vor, es mir mal genauer anzusehen.
Mum und Katherine haben viel Zeit miteinander verbracht. Sie waren bei einer Pilatesstunde, danach zum Essen. Mum hat sogar einmal gelächelt. Niemand sagte etwas davon, dass wir bei ihnen einziehen sollen. Ich weiß nicht mal, ob ich darüber froh war oder nicht.
Dienstag, 21. März
Heute Nacht bin ich hinaus aufs Dach geklettert. Es war kalt und einsam, aber ich setzte mich draußen hin und begann zu schreiben.
Ich erinnere mich, wie Emily mal meine Hand gehalten hat, vielleicht vor zweieinhalb Jahren. Wir machten Familienurlaub in Griechenland, und Mum war unterwegs, um sich irgendeine alte Ruine anzusehen. Emily und ich saßen zusammen in einem Café am Strand. Sie redete über einen süßen Jungen, der vorbeigegangen war. Ohne groß nachzudenken hatte sie dabei meine Hand genommen. Sie ließ sie los, als das Essen kam. Wir aßen einen griechischen Salat. Griechischer Salat riecht für mich total nach Griechenland: nach fruchtigen Tomaten und scharfem Feta und dem kräftigem Geruch von frischem Basilikum. Emily bekam die Oliven, weil ich die nicht mag; dazu aßen wir Sagnaki, einen gebackenen Käse, den wir beide unheimlich gern mochten.
Später haben wir uns an den Strand gesetzt, um die letzten Momente des Tages zu genießen. Beide liebten wir Sonnenuntergänge. Die Sonne schmolz ins Meer. Das Licht spiegelte sich im Wasser und ließ die Oberfläche des Meeres aussehen wie die Schuppen eines Fisches. Ich habe laut überlegt, wie es wohl wäre, eine Meerjungfrau zu sein. Emily lachte, aber nicht unfreundlich. Ich rutschte im Sand näher zu ihr, streckte die Hand aus, um ihre zu fassen, aber sie schüttelte mich ab. Am nächsten Tag sind wir dann nach Hause gefahren.
Donnerstag, 23. März
ABIGAIL SPRICHT IMMER NOCH NICHT MIT MIR. Heute habe ich versucht, mich wieder mit ihr zu versöhnen und gab ihr einen Brief, in dem stand, dass es mir wegen des blöden Streits leid täte. Sie breitete ihn auf dem
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