Vor meinen Augen
Ordnung!«
»War die Frau tot? Wie ist sie wieder lebendig geworden?«
Emily legte die Arme um mich. »Es ist in Ordnung. Alles ist in Ordnung.« Sie klang wie Mum.
»Wo sind wir?«, fragte ich.
»Alles wird gut. Hab keine Angst, Sophie.«
»Aber wo sind wir?«
Emily beruhigte mich und legte ihren Arm fest um meine Schultern. Sie führte mich zu einer Bank und sagte: »Du musst keine Angst haben. Ich lass dich nicht allein. Mum wird uns bald finden.«
Mum kam dann auch kurz danach total panisch um die Ecke. Sie packte mich und dann Emily. Das hatte ich ganz vergessen: Mich packte sie zuerst.
»Ich war ganz verrückt vor Sorge«, sagte sie.
»Wir haben uns verlaufen«, antwortete Emily. »Wir dachten, diese Frau sei tot. Aber das kann nicht gestimmt haben.« Wenn ich jetzt daran zurückdenke, wird mir klar: die Frau war nur eingeschlafen. Tote kommen nicht zurück.
Mum zog die Augenbrauen zusammen. »Welche Frau? Wovon redest du?«
Ich versuchte, etwas zu sagen, aber ich verspürte plötzlich den Drang zu kichern. Jetzt, nachdem die erste Erleichterung bei Mum vorbei war, begann sie, uns auszuschimpfen. Ich drückte die Hand meiner Schwester. Noch während Mum uns einen Vortrag hielt, flüsterte Emily mir zu: »Hab dir doch gesagt, alles ist in Ordnung.«
Aber es ist nicht alles in Ordnung. Nichts ist in Ordnung.
7 In einer Pfütze von Grau
Montag, 27. März
Auf meinem Weg zur Schule machte ich eine lange Liste von Vorsätzen, wie ich sie eigentlich an Neujahr hätte machen sollen. Ich beschloss, zweimal die Woche laufen zu gehen, selbst wenn es regnete. Außerdem mehr Obst und Gemüse zu essen, und mittwochs und freitags eine Yoga-DVD aufzulegen. Ein wenig abzunehmen – aber nicht so viel wie Abi; sie sieht zur Zeit extrem dünn aus – und an den richtigen Stellen Muskeln aufzubauen. Ich werde darauf achten, dass meine Unterwäsche zusammenpasst, nur für den Fall, dass ich je einen Freund haben werde. (Was nicht Dan sein wird. Ich wünschte, ich müsste nicht immer an ihn denken.) Ich möchte meine Nägel lackieren, und sie sollen schön aussehen. Ich möchte mehr Gedichte schreiben und jede Woche ein Buch lesen. Ich möchte wieder etwas machen wie Theater oder Judo – Dinge, die ich getan habe, bevor sich alles verändert hat. Und ich möchte den einen Vorsatz einhalten, den ich an Neujahr gefasst habe: alles zu vergessen und nach vorne zu schauen.
Während der Vormittag sich dahinschleppte, wurde ich immer nervöser. Den Nachmittag verbrachte ich schließlich auf der Toilette. Irgendwann gongte es und die Schule war aus. Ich zitterte und war total hysterisch. Ich blickte aus dem Fenster und sah Rosa-Leigh am Torbogen stehen und auf mich warten, während sie auf die Uhr sah. Dann, als sie fort war, als alle fort waren und der Hausmeister die Schule abschließen wollte, floh ich und rannte durch den Park, um nach Hause zu kommen.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, sah ich im Internet nach, um herauszufinden, was mit mir nicht stimmte. Das Einzige, was zu meinen Symptomen von Übelkeit, Herzrasen, verrückten Gedanken, Atemproblemen und Angstgefühlen passt, ist »Panikattacken«, was sich nach etwas anhört, das Leute bekommen, die völlig durchgeknallt sind. Ich werde auf keinen Fall irgendjemandem davon erzählen; ich will nicht, dass alle denken, ich sei völlig verrückt geworden.
Toll! Natürlich muss ich jetzt auch noch Panikattacken bekommen, wenn es das wirklich ist, was ich habe. Ich bin ja so bescheuert. Alles ist bescheuert. Warum kann ich mich nicht einfach zusammenreißen? Ich rief Rosa-Leigh an, denn ich beschloss, dass ich aufhören musste, an all das zu denken. Wir redeten darüber, wie fies Abigail zur Zeit ist, und Rosa-Leigh stöhnte, wie viele Hausaufgaben sie zu erledigen hat. Es war alles ganz normal, und einen Moment lang vergaß ich den Stress mit den Panikattacken. Rosa-Leigh sagte, sie hätte am Donnerstag eine Überraschung für mich und ich müsste unbedingt zu ihr kommen.
Gott sei Dank ist Rosa-Leigh da. Wenn es überhaupt einen Gott gibt.
Donnerstag, 30. März
Heute übernachte ich bei Rosa-Leigh. Ich bin schon gespannt auf die Überraschung …
Freitag, 31. März
Der Abend gestern war toll! Wir fuhren zu Rosa-Leigh nach Hause und ihre ganze Familie war da, ihr Dad auch. Es ist total schön, einen Vater dabeizuhaben, besonders einen wie ihren, der so nett ist. Er ist ziemlich klein für einen Mann, aber breit gebaut und hat ein rötliches Gesicht mit
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