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Vor meinen Augen

Vor meinen Augen

Titel: Vor meinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Kuipers
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Anonym.
    Eigentlich wollte niemand mitmachen, aber gleichzeitig waren wir auch neugierig – das konnte man sehen, denn alle saßen etwas aufrechter und ziemlich gespannt da. Abigail schrieb ihren Namen auf einen Zettel, dann gab sie ihn Megan und sagte: »Also gut. Wir haben ja sonst nicht groß was zu tun.«
    Ich notierte ebenfalls meinen Namen auf einem Zettel, genau wie Kalila, Yasmin und Zara. Rosa-Leigh stand auf und setzte sich zu ein paar Mädchen an einen anderen Tisch. Jetzt wünschte ich, ich hätte das auch gemacht.
    Abigail sagte zu allen: »Also, fangen wir an!« Ich schrieb über Abigail, dass sie manchmal der tollste Mensch sein kann, aber dass sie oft auch launisch und gemein ist, ohne es zu merken. Und dass sie manchmal total herrisch wirkt.
    Hier ist das, was über mich geschrieben wurde, und davor stehen diejenigen, von denen ich meine, dass sie es geschrieben haben. Wenn ich diese Liste lese, fühle ich mich total MIES.

    Yasmin: Ich mag Sophie, aber manchmal ist sie ziemlich emotional, was verständlich ist. Trotzdem ist es schwer, damit umzugehen.

    Zara: Sie ist klug und süß, aber ziemlich klammernd.

    Kalila: Sie ist lustig und impulsiv und gut in Englisch. Sie lässt sich vielleicht zu leicht von der Meinung anderer lenken. Manchmal wird sie traurig. Ich würde sie gern besser kennenlernen.

    Abigail (und das ist das SCHLIMMSTE): Sophie denkt, sie ist besser als alle anderen. Sie denkt, sie wäre der intelligenteste Mensch auf der Welt und auch, dass sie mehr über das wirkliche Leben weiß als alle anderen. Sie urteilt gern über andere. Sie beschäftigt sich immer nur mit sich selbst und weint zu viel. Sie ist viel verschlossener als früher, und ich weiß, dass das nicht ihre Schuld ist. Wenn sie nicht schlecht gelaunt ist, macht es Spaß, mit ihr zusammenzusein.

    Megan: Ich finde sie ein bisschen langweilig, aber ganz in Ordnung. Sie will nie bei den lustigen Sachen mitmachen und macht sich dann Gedanken, wenn wir anderen es tun. Es ist schwierig, mit ihr klarzukommen und sie ist SEHR launisch. Emotionale Achterbahn!

    Der Gong ertönte. Den ganzen Nachmittag über brannten die Worte von diesem Papier mir ein Loch in den Kopf. Rosa-Leigh war nicht gerade mitfühlend, als ich ihr im Bus erzählte, dass mich manche Dinge, die über mich geschrieben worden waren, wirklich verletzten. Sie sagte: »Frag nie andere, was sie von dir denken. Du wirst niemals das zu hören bekommen, was du möchtest.«
    Ich fragte: »Woher weißt du das denn?«
    »So ist es einfach.« Sie riet mir, das Papier zu zerreißen und zu vergessen.
    Die ganze Sache bringt mich dazu, darüber nachzudenken, wieso ich mich selbst auf eine Weise sehe und andere Leute offensichtlich ganz anders. Ich hätte NIE gedacht, dass ich gern über andere urteile. Und ich finde eigentlich auch nicht, dass ich zu emotional bin, oder zumindest war ich es nicht. Ich denke, mir sind einfach in letzter Zeit eine Menge schlimme Dinge passiert. Als Emily noch hier war, war ich anders, da bin ich mir ganz sicher. Glücklicher. Ich wünschte, ich hätte das blöde Spiel nicht gespielt.

Dienstag, 11. April
    Ich ertrage es nicht, in die Schule zu gehen. Heute stehen Gespräche über unsere Zukunft auf dem Stundenplan. Bei so was schalte ich immer auf Durchzug. Als ob ich mir irgendetwas aus der Zukunft machen würde. Als ob es darauf irgendwie ankäme. Es ist der letzte Tag vor den Osterferien, aber ich kann einfach nicht mehr hin.

    Ich sagte Mum, mir wäre nicht gut und ich könnte nicht in die Schule gehen. Es stimmte nicht, aber sie stellte mir keine Fragen. Sie zuckte mit den Schultern und sagte, sie mache mir Rührei auf Toast, und später brachte sie es mir mit Tomatenstückchen – wie ich es mag – ins Zimmer. Ich war erstaunt, dass sie sich daran erinnerte, was mir schmeckte. Sie werkelte unten herum und es schien ihr egal zu sein, dass ich fast den ganzen Tag fernsah. Ein paarmal sah sie so aus, als wollte sie zu mir kommen und sich neben mich setzen, aber ich sah sie böse an, und so blieb sie mir vom Leibe. Ich dachte daran, ein Gedicht zu schreiben, aber es gab keine Worte in meinem Kopf.

    Rosa-Leigh hat gerade angerufen und sich nach mir erkundigt. Ich sagte ihr, dass ich mich erkältet hätte. Wir unterhielten uns ein wenig, und schließlich beschwerte ich mich darüber, dass Mum von mir verlangte, ihren Freund kennenzulernen, auch wenn seit unserem Streit und Marks Herzinfarkt nicht mehr die Rede davon war, dass er

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