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Vor Nackedeis wird gewarnt

Vor Nackedeis wird gewarnt

Titel: Vor Nackedeis wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Charles
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Hochgefühl, das jedem Schauspieler nach einer erfolgreichen Premiere vertraut ist.
    Ein Hoch unserem Richard! Dem Applaus bei einer Premiere folgen regelmäßig die kritischen Betrachtungen und Beurteilungen durch die Partei. Man gibt zu bedenken, daß die vertretenen Meinungen objektiv sein müssen, objektiver als die der anwesenden Zuhörer, die ohnehin nur ein wenig Unterhaltung erwarten.
    Nachdem er mit dem Mann, der ihn vorgeschlagen hatte, einen kräftigen Händedruck gewechselt hatte, wurde Richard von dem Vorsitzer, einem kleinen viereckigen jungen Mann mit hellem Haar, vorgestellt. Und während er diesem Fremden seine Hand darbot, traf sein linkes Auge der erste Haken harter Kritik.
    »Freut mich«, sagte Richard, während er seinem Kontrahenten männlich die Hand schüttelte.
    »Ebenfalls«, meinte der kleine, viereckige Mann. »Aber Sie sitzen im Fettnäpfchen.«
    »Wie bitte?« stieß der erstaunte Kandidat hervor.
    »Sie werden diese Wahl mit ungefähr 500 fehlenden Stimmen verlieren, vielleicht ein paar mehr oder ein paar weniger.«
    Der Vorsitzer, Oberst Truegood-Clements, räusperte sich, dachte kurz nach und brüllte: »Das ist Mr. Arnold Tressiter, einer Ihrer Parteigenossen im Parlament.«
    Der Parteigenosse führte einen erschütterten Richard Widderby von der Menge weg, und betrachtete ihn gleichzeitig kritisch und mit den Augen des parlamentarischen Fachmannes, kalten, berechnenden Fischaugen, die jede Art von Illusion hinter sich gelassen hatten.
    Richard stammelte nervös: »Ich dachte, es - es sei gut gewesen.«
    Mr. Tressiter lächelte durchaus nicht höhnisch. Er blieb vielmehr völlig ausdruckslos. »Dachten Sie?« fragte er kurz angebunden. »Na ja, lieber Freund, Sie irren sich, Sie irren sich gewaltig. Das Ganze war so schlecht, es hätte kaum schlechter sein können. Diese Rede wäre während der dreißiger Jahre ganz gut gewesen. Es handelte sich um eine dieser Reden, die wir Windbeutelreden nennen und die einen Wähler in den Jahren V. F. überzeugt hätten!«
    »V. F.?«
    »Ja, vor Fernsehen«, nickte Mr. Tressiter salbungsvoll. »Vor dieser Zeit hörten die Leute den Premierminister nur ab und zu anläßlich wichtiger Anlässe, und die Parlamentsabgeordneten waren ein Haufen mysteriöser Engel, die im Himmel von Westminster lebten, wo Heiligenscheine nach Auftrag angefertigt werden. Heutzutage haben Hinz und Kunz jeden dieser Burschen irgendwann einmal auf dem Bildschirm erlebt, und es ist weitgehend die persönliche Ausstrahlung, die über Erfolg oder Mißerfolg entscheidet.«
    Richard seufzte: »Macht das was aus?« fragte er ganz vernünftig. »So, wie ich die Dinge sehe, kann ich einen Twist auf der Straße tanzen und dem Bürgermeister ins Gesicht spucken und trotzdem den Sitz erobern. Diese Leute haben seit Urzeiten konservativ gewählt.«
    Zum erstenmal lächelte Mr. Tressiter: »Glauben Sie wirklich? Können Sie sich eigentlich denken, warum ich hier bin?«
    »Offen gestanden - nein!«
    »Ich wurde von der Parteileitung hierher geschickt und soll mich um Ihren Wahlkampf kümmern«, sagte Mr. Tressiter schnell. »Wenn ich eher hier eingetroffen wäre, hätte ich Ihrer Nominierung als unser Kandidat nie zugestimmt. Wir brauchen einfach ein neues Leitbild. Sie gehören zu der alten Garde, und man wird das erkennen und entsprechend reagieren. Es ist meine feste Absicht, Sie ein wenig die Tatsachen des politischen Lebens zu lehren, mein Freund. Vergessen Sie die netten Leute von Benhill, denn die wählen uns wie ein Mann. Sie ^ind konservativ eingestellt und wählen Sie auf jeden Fall. In Wahrheit aber denken sie gar nicht nach. Sie haben vor vielen Jahren ihre Meinung geformt, von der sie nicht abweichen möchten, weil es ihnen lästig ist, nachdenken zu müssen. Natürlich ist es für sie einfacher, Sie oder irgendeinen anderen Typ ins Parlament zu schieben und die ganze Sache zu vergessen. Bei den Anhängern der Labour-Partei ist das kein Jota anders. Die meisten dieser Menschen wählen heute noch eine Partei, die gar nicht mehr existiert. Kommen Sie doch mit, draußen steht mein Wagen, und ich zeige Ihnen ein paar Dinge, die der Parteileitung wirklich Kopfschmerzen bereiten.«
    Er ging zu einem großen Jaguar und entführte Richard durch dessen Wahlbezirk. Mr. Tressiter hatte den Zweifel an sich selbst in Richard Widderbys Seele gesät, und dieser Keim sproß während der Fahrt zu einer großen Pflanze. Richards Überzeugung, daß er ein absoluter Versager war, wuchs ins

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