Vor Schmetterlingen wird gewarnt (German Edition)
Köpfen sein und hin und her schwenken, um immer die Person aufzunehmen, die gerade spricht. Ignoriert es, und lasst euch davon nicht irritieren.
Apropos ignorieren. Ich will euch kurz unseren Kameramann vorstellen. Ava, ihr zwei kennt euch bereits. Aber Jane und Poppy, das ist Louie.“ Sie begrüßten sich, dann sagte Cade: „Und ab jetzt möchte ich, dass ihr auch ihn ignoriert.“
„Na, das ist aber unhöflich“, meinte Poppy.
„Ich weiß, und die meisten Leute tendieren zur Höflichkeit. Leider bedeutet das, dass sie den Kameramann mit einbeziehen, wenn sie eine Interviewfrage beantworten. Schließlich befindet er sich ja ständig in ihrem Blickfeld. Aber glaubt mir, wenn ich euch sage, dass das auf dem Bildschirm nicht gut aussieht. Also, bitte, seht ausschließlich mich an.“
Oder seht euch gegenseitig an, wenn ihr miteinander sprecht, fügte er im Stillen hinzu. Er verzichtete darauf, es laut zu sagen. Denn untereinander sprechen würden sie ohnehin nur, wenn sie vergaßen, dass da eine Kamera war. Erst dann würde eine natürliche Atmosphäre entstehen, die seine Choreografie überflüssig machte. Und je weniger Anweisungen er gab, desto besser war das seiner Ansicht nach für gewöhnlich.
Er rutschte mit seinem Sessel ein wenig näher an sie heran und verspürte das sanfte Kribbeln, wie stets zu Beginn eines Interviews. Er nickte seinem Regieassistenten zu, und der rief: „Bitte Ruhe am Set!“
Die Gespräche ringsherum verstummten. Cades technischer Assistent und die Maskenbildnerin hielten sich für den Fall, dass sie gebraucht wurden, bereit. Alle anderen – bis auf den Kameramann – zogen sich von der Kamera zurück. Cade sah zu Louie.
„Kamera ab, bitte.“
„Kamera läuft“, bestätigte der Kameramann, und Cade wandte sich wieder den Frauen zu.
„Wie habt ihr drei Agnes Wolcott kennengelernt?“
„Wir lernten uns bei einem Hauskonzert kennen, als wir zwölf waren“, begann Poppy.
„Bei Ava“, ergänzte Jane und sah Ava an. „Erinnerst du dich noch, wie aufgeregt deine Mutter war, weil Miss A kommen wollte?“
„Das vergisst man nicht so leicht“, bestätigte Ava und wandte sich erklärend an Cade: „Miss Agnes war bekannt dafür, dass sie die meisten Einladungen ablehnte. Es war also eine große Sache, dass sie die Einladung zu der Veranstaltung meiner Mutter annahm.“
„Wenn es nach Ava gegangen wäre, würden wir drei wahrscheinlich nicht hier sitzen“, sagte Poppy mit einem schiefen Grinsen. „Sie fand, das Hauskonzert sei die dämlichste Idee überhaupt, und wollte absagen. Stattdessen wollte sie bei mir übernachten.“
„Na ja, das war sehr Jane-Austen-mäßig, nicht wahr? Dieser Auftritt daheim im Wohnzimmer.“ Avas Grübchen erschienen auf ihren Wangen. „Damals stand ich echt auf Kurt Cobain und fand Sänger, die von Cembalos und Geigen begleitet werden, so komplett unmodern. Außerdem ließen Poppys Eltern uns immer Knusperbrote mit gerösteten Marshmallows und geschmolzener Schokolade essen. Sie wollten, dass wir uns amüsieren. Bei den Veranstaltungen meiner Mutter gab es bloß jede Menge Regeln.“ Sie verzog das Gesicht. „Iss nicht mehr als ein Rosinenbrötchen, Ava. Verschütte nichts, Ava. Sorg dafür, dass deine Freundinnen leise sind. Und, um Himmels willen, blamier mich nicht vor meinen Gästen.“ Sie zuckte die Schultern. „Mit anderen Worten: das Übliche. Von uns wurde erwartet, dass wir uns still und leise verhielten und bloß nicht auffielen.“
Selbst als er Louie um eine andere Bildeinstellung bat, weil er wusste, dass er einen Teil ihrer Antwort würde schneidenmüssen, beobachtete Cade Ava. Er erinnerte sich noch gut an das übergewichtige Kind von damals. Auch er hatte seinen Teil zu ihrem Elend beigetragen. Aber das hinderte ihn nicht daran, im Nachhinein wütend auf ihre Mutter und deren verdammte Regeln zu sein. Es hieß ja, Geld mache glücklich. Er und Ava konnten diesen Mythos leicht widerlegen.
„Aber du musst deiner Mutter wenigstens dankbar dafür sein, dass sie dir diese wundervollen Manieren beigebracht hatte“, sagte Poppy grinsend. „Denn nur deswegen haben wir Miss Agnes kennengelernt.“
Jane nickte zustimmend. „Ava schleppte uns zu Miss Agnes’ Platz. Sie saß ein wenig abseits, und Ava stellte uns drei vor.“ Ihre Augen nahmen einen wehmütigen Ausdruck an, weshalb Cade seinem Kameramann ein Zeichen gab, näher heranzugehen. „Miss Agnes war ganz anders als die anderen Erwachsenen. Und damit meine ich
Weitere Kostenlose Bücher