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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Schluchzen zu unterdrücken.
    »Mein Handy ist kaputt. Dieses dumme Ding ist einfach kaputtgegangen und ich brauche es doch … Ich brauche es!«
    »Einfach kaputtgegangen? Und deshalb weinst du?«, fragt Jonas zweifelnd und macht keine Anstalten, mich in den Arm zu nehmen oder meinen Nacken zu streicheln, wie er es früher oft getan hat, wenn ich traurig war. Stattdessen setzt er sich neben mich und nimmt mir vorsichtig das Smartphone aus der Hand. »Sieht eher aus, als hättest du es durch die Gegend gepfeffert, nachdem du dich an meinem Boxsack vergangen hast. Kannst du aufstehen? Du musst aus deinen verschwitzten Klamotten raus und was trinken. Ronia, du bist ja völlig fertig, deine Beine zittern wie Espenlaub.«
    »Ich will nicht! Und ich brauch mein Handy, ich kann mir doch kein neues leisten.« Endlich habe ich es geschafft, mein Weinen zu kontrollieren.
    »Dann nimmst du eben mein altes, das hab ich hier noch rumliegen. Und du schickst deines ein. Sag halt, dir ist es beim Sport runtergefallen.«
    »Ich brauch aber mein eigenes! Ich brauch ein Smartphone, mit dem ich ins Netz kann, ich muss doch studieren und außerdem kann ich es nicht einschicken, das geht nicht! Es geht nicht!«
    Ich weiß, dass ich am Rande der Hysterie stehe. Aber ich kann das Handy nicht einschicken. Was ist, wenn die sich meine Fotos anschauen und die Nachrichten, die ich mit Jan gewechselt habe? Und es irgendwie nach außen dringt? Außerdem kann ich so lange nicht warten. Es wird Wochen dauern, bis ich es wiederkriege.
    »Ich muss doch studieren«, füge ich noch einmal etwas ruhiger hinzu, was nicht übertünchen kann, dass ich mich beim Laufen und meinem anschließenden Wutanfall völlig verausgabt habe. Meine Beine krampfen und nun beginnen auch meine Arme zu zittern. Doch ich habe aufgehört zu heulen.
    »Ich hab meine komplette Ausbildung ohne Smartphone durchgezogen. Geht alles. Du schreibst deine Prüfungen ja nicht auf dem Handy, oder?«, entgegnet Jonas mit vernichtender Sachlichkeit. »Willst du mir nicht endlich mal verraten, was hier los ist?«
    »Willst du mich nicht endlich mal in den Arm nehmen?« Ich muss erbärmlich aussehen. Hat er kein Mitleid?
    »Nein, will ich nicht.« Jonas’ klare Zurückweisung ist eine eiskalte Dusche. Augenblicklich werde ich ruhiger, doch die Verzweiflung und das Ohnmachtsgefühl ducken sich nur, wie eine Katze vor dem neuerlichen Angriff. Sie wird erst wohlig schnurren, wenn sie das Vögelchen gefangen und gefressen hat. Jonas will mich nicht in den Arm nehmen? Dann habe ich mir das also nicht eingebildet – seine Distanz, mit der er mir die vergangenen Tage begegnete. Es hing nicht mit Stress im Beruf oder mieser Laune zusammen, wie ich es mir eingeredet hatte. Über den Vorfall bei meinen Eltern haben wir nicht gesprochen, doch eigentlich hätte er derjenige sein müssen, der mir entgegenkommt und bestrebt ist, sein Handeln wiedergutzumachen. Stattdessen hat er mich teilweise wie eine Fremde behandelt. Jetzt kann ich nicht mehr dazu schweigen.
    »Du hast mich an sie verraten, oder?« Schniefend ziehe ich die Nase hoch. »Du warst es.«
    »So etwas würde ich niemals tun, Ronia. Und ich möchte wissen, warum du so am Rad drehst. Mir gefällt das nicht. Was war los? Hat er dir was getan?«
    »So ein Quatsch!«, schreie ich und schaffe es immerhin, mich aufzurichten und im Sitzen gegen die Wand zu lehnen. Stöhnend ziehe ich meine Zehen zu mir, um einen neuerlichen Krampf zu stoppen. »Er hat mir gar nichts getan! Ich weiß nur nicht, wie ich weiter studieren und die Miete hier bezahlen und nach Frankreich gehen soll, ich weiß es einfach nicht!«
    Jeder Satz ist eine Lüge und ich lüge mich dabei vor allem selbst an. Ich habe selten weniger an mein Studium und an meine Zensuren gedacht als die vergangene Woche. Fast jede Vorlesung habe ich geschwänzt oder verträumt, auch die Ausgrabung in Frankreich wird mir immer gleichgültiger, ja, am liebsten wäre es mir sogar, Kai Schuster würde die Geduld verlieren und mich von der Warteliste streichen, wie er es schon öfter angedroht hat. In Frankreich zu sein bedeutet, fort von Jan zu sein. Aus den Augen, aus dem Sinn. So ist es doch, oder? Er wird mich vergessen. Und was den Rest betrifft: Ich habe einen stinklangweiligen Job im Museum bekommen, im Zuge der großen Sommerausstellung. Ägypten-T-Shirts und Ägypten-Sekt an die Besucher verkaufen und die wenigsten haben nur den Hauch eines Interesses daran. Die meiste Zeit sitze ich herum

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