Vor Vampiren wird gewarnt
ich. Jede Antwort war wie ein weiterer Schritt durch ein Minenfeld.
»Hat er dir auch erzählt, dass die Wasserelfen meinen Zwillingsbruder ermordet haben?«
»Ob Niall selbst es mir erzählt hat? Nein, aber ich habe davon gehört.«
»Ich habe Teile von Fintans Leiche gesehen. Neave und Lochlan hatten ihn in Stücke gerissen.«
»Sie haben auch geholfen, meine Eltern zu ertränken«, gab ich zurück und hielt den Atem an. Was würde er dazu sagen?
»Ich ...« Er rang um Worte. Verzweiflung stand ihm im Gesicht. »Aber ich war nicht dort . Ich ... Niall...« Es war schrecklich mit anzusehen, wie Dermot nach Worten suchte. Ich hätte kein Mitleid mit ihm haben sollen, da Niall mir ja erzählt hatte, welche Rolle Dermot beim Tod meiner Eltern gespielt hatte. Aber seinen Schmerz konnte ich trotzdem kaum ertragen.
»Wie kam es dazu, dass du im Elfenkrieg letztlich auf Seiten von Breandans Streitkräften standest?«
»Er sagte, mein Vater habe meinen Bruder ermordet«, sagte Dermot niedergeschlagen. »Und ich habe ihm geglaubt. Ich misstraute meiner Liebe für Niall. Wann immer ich mich erinnerte, wie unglücklich meine Mutter war, als Niall sie nicht mehr besuchen kam, dachte ich, Breandan müsse recht haben und wir seien nicht dafür gemacht, uns unter die Menschen zu mischen. Es scheint nie ein gutes Ende zu nehmen für sie. Und ich hasste mich selbst für das, was ich war, halb Mensch. Ich fühlte mich nie irgendwo zu Hause.«
»Geht's dir denn jetzt besser damit? Damit, halb Mensch zu sein, meine ich.«
»Ich habe mich damit abgefunden. Mein Handeln war falsch, das weiß ich, und ich bin tief betrübt, dass mein Vater mich nicht in die Elfenwelt einlässt.« Seine großen blauen Augen wirkten traurig. Doch ich war viel zu sehr darauf bedacht, bloß nicht zu zittern, um es richtig wahrzunehmen.
Einatmen, ausatmen. Ruhig,ganz ruhig. »Jetzt glaubst du also, dass Jason und ich okay sind? Du hast nicht mehr vor, uns etwas anzutun?«
Er legte die Arme um mich. Herrje, zurzeit lief wirklich die Aktion Eine-Umarmung-für-Sookie, nur dass mich keiner vorgewarnt hatte. Elfen waren ziemlich gefühlsduselig und fassten einen gern an, so was wie einen Höflichkeitsabstand kannten sie nicht. Ich hätte meinen Großonkel am liebsten gebeten, mich loszulassen. Aber das wagte ich nicht. Ich musste nicht Dermots Gedanken lesen können, um zu erkennen, dass er aus dem nichtigsten Grund explodieren könnte, so sehr wie er seelisch aus dem Gleichgewicht war. Es kostete mich all meine Willenskraft, ganz ruhig weiterzuatmen, damit ich nicht wie Espenlaub zu zittern begann. Seine Nähe, meine Anspannung, ihm derart ausgeliefert zu sein, die enorme Kraft, die durch seine Arme strömte, das alles führte mich in Gedanken zurück in eine düstere verfallene Bruchbude zu zwei irren Elfen, die ihren Tod wirklich verdient hatten. Meine Schultern zuckten, und sofort blitzte Panik in Dermots Augen auf.
Ruhig, sei ganz ruhig.
Ich lächelte ihn an. Die Leute sagen immer, ich hätte so ein strahlendes Lächeln. Aber ich weiß natürlich, dass es ein wenig zu strahlend ist, ein wenig verrückt. Wenigstens passte es jetzt perfekt zur Situation. »Als du Jason das letzte Mal gesehen hast...«, begann ich, wusste dann aber nicht, wie ich den Satz beenden sollte.
»... habe ich seinen Freund angegriffen. Das Ungeheuer, das Jasons Ehefrau verletzt hatte.«
Ich schluckte schwer, lächelte aber weiter. »Es wäre vermutlich besser gewesen, wenn du Jason erzählt hättest, warum du dir Mel schnappst. Übrigens war es gar nicht Mel, der sie umgebracht hat.«
»Ja, es war mein eigenes Volk, das sie ermordet hat. Aber sie wäre sowieso gestorben. Er hatte sie hilflos liegen lassen.«
Da konnte ich schlecht widersprechen, denn mit dem, was Crystal widerfahren war, hatte er recht. Allerdings fiel mir auf, dass Dermot mir keine schlüssige Antwort darauf gegeben hatte, warum er Jason von Mels Untat nicht erzählt hatte. »Aber du hast es Jason nicht erklärt«, sagte ich daher und atmete ein und wieder aus - auf besänftigende Weise. Wie ich hoffte. Und tatsächlich: je länger ich Dermot berührte, desto ruhiger schienen wir beide zu werden. Und Dermot wirkte auch viel zugänglicher.
»Meine Gefühle standen in einem großen Konflikt«, sagte er sehr ernsthaft und zu meinem Erstaunen in modernem Psychojargon.
Das war vielleicht die beste Antwort, die ich von ihm kriegen würde. Aber ich schlug noch eine andere Richtung ein. »Willst du Claude
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