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Vor Vampiren wird gewarnt

Vor Vampiren wird gewarnt

Titel: Vor Vampiren wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Gott«, stieß ich hervor und versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken. »Sie, oder?« Deshalb also kam mir ihr Gesicht irgendwie bekannt vor. Ich kannte Bills alte Familienbilder.
    Judith nickte. »Offenbar sah Bill mich mit meiner Familie zu einer Feier in das Haus eines Nachbarn gehen. Er folgte mir nach Hause und beobachtete mich, weil die Ähnlichkeit so frappierend war. Als Lorena das mitbekam, dachte sie, Bill würde bei ihr bleiben, wenn sie ihm eine Freundin schuf.«
    »Wie furchtbar«, sagte ich. »Das tut mir schrecklich leid.«
    Judith zuckte die Achseln. »Es war nicht Bills Fehler. Aber jetzt werden Sie verstehen, warum ich erst darüber nachdenken musste, ehe ich hierher zu Ihnen kam. Solomon ist zurzeit in Europa, sonst hätte ich ihn gebeten, mich zu begleiten. Ich fürchte mich davor, Lorena wiederzusehen, und ich hatte Angst... Angst, sie wäre hier, und Angst, Sie hätten sie ebenfalls um Hilfe für Bill gebeten. Oder dass sie sich diese Geschichte ausgedacht hätte, um mich hierher zu locken. Ist sie... Ist sie in der Gegend?«
    »Sie ist tot. Wussten Sie das denn nicht?«
    Judith riss ihre runden blauen Augen auf. Viel bleicher konnte sie nicht mehr werden, aber sie schloss einen Augenblick lang die Augen. »Ich spürte einen seltsamen Stich vor etwa anderthalb Jahren... Zu dem Zeitpunkt ist Lorena gestorben?«
    Ich nickte.
    »Deshalb hat sie mich nicht herbeigerufen. Oh, das ist ja wunderbar, ganz wunderbar!«
    Judith wirkte wie eine andere Frau.
    »Ich staune schon etwas, dass Bill keinen Kontakt zu Ihnen aufgenommen und es Ihnen erzählt hat.«
    »Vielleicht dachte er, ich wüsste es. Kinder und Schöpfer sind verbunden. Aber ich war mir nicht sicher. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein.« Judith lächelte, und sie sah plötzlich recht hübsch aus, trotz der Fangzähne. »Wo ist Bill?«
    »Auf der anderen Seite des Waldes.« Ich zeigte ihr die Richtung. »In seinem alten Haus.«
    »Ich werde seine Fährte schon finden, wenn ich draußen bin«, rief sie fröhlich. »Oh, bei ihm zu sein ganz ohne Lorena!«
    Ah. Was?
    Eben noch hatte Judith auf meinem Sofa gesessen und mir ein Ohr abgekaut, und plötzlich schien sie jeden Augenblick aufspringen zu wollen wie eine verbrühte Katze. Ich sah sie mit schmalen Augen an und fragte mich, was ich getan hatte.
    »Ich werde ihn heilen, und er wird Ihnen gewiss sehr dankbar sein«, sagte sie, und ich fühlte mich, als wäre ich damit entlassen. »War Bill dabei, als Lorena starb?«
    »Ja«, erwiderte ich.
    »Wurde er schwer bestraft für den Mord?«
    »Er hat sie nicht ermordet«, erklärte ich. »Ich war's.«
    Sie erstarrte und sah mich an, als hätte ich plötzlich behauptet, ich sei King Kong. »Ich verdanke Ihnen meine Freiheit. Bill muss eine sehr hohe Meinung von Ihnen haben.«
    »Das hoffe ich doch«, sagte ich und war peinlich berührt, als sie sich zu mir herüberbeugte und meine Hand küsste. Ihre Lippen fühlten sich kalt an.
    »Jetzt können Bill und ich zusammen sein«, sagte sie. »Endlich! Ich werde mich in einer der nächsten Nächte noch einmal richtig bei Ihnen bedanken, aber jetzt muss ich zu ihm.« Und in null Komma nichts war sie aus dem Haus und Richtung Süden durch den Wald gesaust.
    Irgendwie fühlte ich mich, als hätte mir jemand mit einer sehr großen Faust auf den Kopf geschlagen.
    Doch es wäre mehr als schäbig, wenn ich mich nicht für Bill freuen würde. Jetzt konnte er jahrhundertelang mit Judith zusammenbleiben, wenn er wollte. Mit der nie alternden Doppelgängerin seiner Ehefrau. Ich zwang mich, ein frohes Lächeln aufzusetzen.
    Weil mein glücklich aussehendes Gesicht mich auch nicht glücklicher machte, hüpfte ich zwanzigmal auf und ab wie ein Hampelmann und hängte gleich noch zwanzig Liegestützen dran. Okay, das ist schon besser, dachte ich, als ich auf dem Wohnzimmerboden auf dem Bauch lag. Jetzt schämte ich mich, dass meine Armmuskeln so zitterten. Ich dachte an das Training, durch das die Softballtrainerin der Lady Falcons uns gejagt hatte, und wusste, dass Trainerin Peterson mir in den Hintern getreten hätte, wenn sie mich so hätte sehen können. Andererseits war ich auch nicht mehr siebzehn.
    Ich rollte mich auf den Rücken und dachte über diese Tatsache mal ganz nüchtern nach. Nicht zum ersten Mal nahm ich wahr, wie die Zeit verging; aber zum ersten Mal merkte ich, dass mein Körper nicht mehr so fit war wie früher. Ich verglich das mit den Vampiren, die ich kannte. Mindestens 99

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