Vor Vampiren wird gewarnt
»Claude, ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich. Es ist einfach ... so viel Geld. Ich habe keine Ahnung, was ich damit machen soll.«
Claude zuckte die Achseln. »Es war eben das, was Claudine wollte. Jetzt erzähl mir, was los ist.«
»Tut mir ja leid, das sagen zu müssen, Claude, aber es überrascht mich wirklich sehr, dass dich das interessiert. Ich hätte immer schwören können, dass es dir völlig egal ist, wie es mir geht. Und auf einmal bist du so nett zu Hunter, ja, du bietest mir sogar an, mit mir den Dachboden auszumisten.«
»Könnte es nicht sein, dass ich ein verwandtschaftliches Gefühl für dich entwickle?« Fragend hob er eine Augenbraue.
»Können Schweine fliegen?«
Er lachte. »Ich versuche, mich mehr wie ein Mensch zu verhalten«, gab er zu. »Da ich mein langes Leben nun ganz unter den Menschen verbringen werde, versuche ich...«
»... sympathischer zu werden?«, half ich ihm.
»Autsch«, sagte er, doch er war nicht wirklich verletzt. Das hätte ja vorausgesetzt, dass er sich um meine Meinung scherte. Und das war etwas, das man nicht lernen konnte, oder?
»Wo ist dein Freund?«, fragte er. »Ich liebe den Geruch von Vampiren im Haus.«
»Gestern Abend habe ich ihn zum ersten Mal seit einer Woche gesehen. Und wir hatten kaum Zeit für uns.«
»Habt ihr Streit?« Claude ließ sich mit einer Hüfte auf dem Verandageländer nieder. Er wollte mir anscheinend tatsächlich beweisen, dass er sich für das Leben eines anderen interessieren konnte.
Aber mir wurde das alles langsam irgendwie zu viel. »Claude, ich trinke hier gerade meinen ersten Becher Kaffee, hab nicht besonders viel geschlafen und ein paar miserable Tage hinter mir. Könntest du nicht gehen und erst mal duschen oder so was?«
Er seufzte, als hätte ich ihm das Herz gebrochen. »Okay, ich verstehe den Wink.«
»Das war eigentlich kein Wink, sondern eine ziemlich deutliche Aufforderung.«
»Oh, bin ja schon weg.«
Doch als er den ersten Schritt auf die Tür zu machte, fiel mir ein, dass ich etwas vergessen hatte. »Ich nehm's zurück, bleib bitte. Es gibt etwas, worüber wir sprechen müssen. Ich hatte ja noch gar keine Gelegenheit, dir zu sagen, dass Dermot hier war.«
Claude richtete sich auf, fast so als wollte er jeden Augenblick türmen. »Was hat er gesagt? Was wollte er?«
»Ich weiß nicht genau, was er wollte. Wie du wollte er wohl bloß jemandem nahe sein, der etwas Elfenblut hat. Und er wollte mir sagen, dass er verhext wurde.«
Claude wurde bleich. »Von wem? Wer hat Magie angewendet? Ist Großvater zurückgekommen durch eins der Tore?«
»Nein«, erwiderte ich. »Aber hätte ihn nicht auch ein Elf verhexen können, ehe die Tore geschlossen wurden?« So wie ich die Moral der Elfen verstanden hatte, war es Claude nicht möglich, mir mit einer direkten Lüge zu antworten. »Außerdem solltest du wissen, dass noch ein vollblütiger Elf auf dieser Seite der Tore ist, oder Portale oder wie immer ihr die auch nennt.«
»Dermot ist verrückt«, erwiderte Claude. »Ich habe keine Ahnung, was er als Nächstes tun wird. Wenn er sich direkt an dich wendet, muss er unter extremem Druck stehen. Du weißt, wie zwiespältig seine Haltung gegenüber Menschen ist.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Stimmt«, bemerkte Claude, »habe ich nicht. Und das hat auch einen Grund.« Er drehte sich um und sah zum Wald hinüber. »Ich will nicht einen Kopf kürzer gemacht werden.«
»Dann gibt es also noch jemanden, und du weißt, wer es ist. Oder weißt du selbst mehr über das Verhexen, als du zugibst?«
»Darüber werde ich nicht reden.« Und damit ging Claude zurück ins Haus. Nur Minuten später hörte ich ihn an der Hintertür, und dann fuhr sein Auto an mir vorbei die Auffahrt entlang zur Hummingbird Road.
Na prima, jetzt hatte ich also eine wertvolle Information erhalten und trotzdem nichts Brauchbares erfahren. Ich konnte den Elfen ja schlecht herbeizaubern und fragen, warum er (oder sie?) immer noch auf dieser Seite war und welche Absichten er hatte. Aber ich ging einfach mal davon aus, dass Claude mit ziemlicher Sicherheit vor einem netten Elfen, der nur Güte und Licht verbreiten wollte, nicht eine solche Angst gehabt hätte. Und ein richtig netter Elf hätte auch den armen Dermot nicht so verhext, dass er ganz verwirrt war.
Ich sprach ein paar Gebete in der Hoffnung, so meine übliche gute Laune wiederherstellen zu können, doch heute half auch das nicht. Vielleicht war ich nicht in der richtigen
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