Vor Vampiren wird gewarnt
und ein Testament, damit ich nicht Jahre warten muss, um sie für tot erklären zu lassen. Sie hat mir fast alles hinterlassen. Das hat sie unserem Vater Dillon erzählt, als sie ihm während ihres Todesrituals erschien.«
Elfen erzählen ihren Verwandten, dass sie gestorben sind, wenn sie schon ihre geistige Existenzform angenommen haben. Aber warum war Claudine gerade Dillon erschienen und nicht ihrem Bruder? So taktvoll, wie es irgend ging, fragte ich Claude danach.
»Der Geist erscheint dem Nächstälteren«, erklärte Claude steif. »Unsere Schwester Claudette erschien mir, weil ich ein paar Minuten älter war als sie. Und Claudine vollzog ihr Todesritual vor unserem Vater, da sie älter war als ich.«
»Dann hat sie deinem Vater erzählt, dass sie ihren Anteil an den Clubs dir hinterlassen will?« Da hatte Claude aber ziemlich Glück gehabt, dass Claudine ihre Wünsche noch jemandem mitgeteilt hatte. Was mochte wohl passieren, wenn der älteste Elf der Familie derjenige war, der starb? Diese Frage hob ich mir lieber für später auf.
»Ja. Und ihren Anteil am Haus. Und ihr Auto. Obwohl ich schon eins habe.« Aus irgendeinem Grund wirkte Claude verlegen. Und schuldbewusst. Warum um Himmels willen sollte er schuldbewusst wirken?
»Wie fährst du denn damit?«, fragte ich abgelenkt. »Ihr Elfen habt doch solche Probleme mit Eisen.«
»Ich trage die unsichtbaren Handschuhe, um meine Haut zu schützen«, sagte er. »Überhaupt ziehe ich nach jedem Duschen eine Schutzschicht über. Und mit jedem Jahrzehnt, das ich in der Welt der Menschen lebe, habe ich etwas mehr Toleranz entwickelt.«
Ich wandte mich wieder dem Brief zu. »Es gibt vielleicht noch mehr, das ich für Dich tun kann. Ich werde es Dich wissen lassen. Claudine hat Dir ein Geschenk hinterlassen.«
»Oh, ich erbe auch etwas von Claudine? Was denn?« Ich hob den Blick und sah Claude an, der nicht so richtig erfreut wirkte. Er hatte anscheinend nicht gewusst, was genau in dem Briefstand. Und wenn Niall mir Claudines Testament nicht bekannt gemacht hätte, hätte Claude es wohl auch nicht getan. Elfen lügen zwar nicht, aber sie sagen auch nicht immer die ganze Wahrheit.
»Sie hat dir das Geld auf ihrem Bankkonto hinterlassen«, sagte er schicksalsergeben. »Da sind ihre Arbeitslöhne aus dem Kaufhaus drauf und ihr Anteil aus den Einkünften der Clubs.«
»Oh ... das ist ja unglaublich lieb von ihr.« Ich musste ein paar Mal blinzeln. Ich versuchte immer, mein Sparkonto nicht anzurühren, und auf meinem Girokonto sah es nicht so rosig aus, weil ich in letzter Zeit öfter nicht hatte arbeiten können. Außerdem hatten meine Trinkgelder gelitten, weil ich immer so deprimiert gewesen war. Lächelnde Kellnerinnen verdienten mehr als traurige Kellnerinnen.
Ein paar Hundert Dollar konnte ich also prima gebrauchen. Vielleicht könnte ich mir etwas Neues zum Anziehen kaufen, und im großen Badezimmer unten brauchte ich dringend eine neue Toilette. »Wie macht ihr solche Überweisungen denn?«
»Du bekommst einen Scheck von Mr Cataliades. Er verwaltet den Nachlass.«
Mr Cataliades - falls er einen Vornamen hatte, so hatte ich ihn noch nie gehört - war Anwalt und außerdem (fast) ein Dämon. Er kümmerte sich um die Rechtsangelegenheiten vieler Supranaturaler in Louisiana. Ich fühlte mich gleich besser, als Claude seinen Namen erwähnte, denn ich wusste, dass Mr Cataliades kein Hühnchen mit mir zu rupfen hatte.
Tja, und nun musste ich entscheiden, ob ich Claude als neuen Hausgenossen haben wollte.
»Ich muss mal eben telefonieren«, sagte ich und deutete auf die Kaffeekanne. »Wenn du noch welchen willst, kann ich frischen machen. Hast du Hunger?«
Claude schüttelte den Kopf.
»Und wenn ich Amelia angerufen habe, müssen wir beide uns noch mal unterhalten.«
Ich benutzte das Telefon in meinem Schlafzimmer. Amelia stand früher auf als ich, mich hielt schon mein Job abends einfach länger wach. Nach dem zweiten Klingeln ihres Handys nahm sie ab. »Sookie!« Amelia klang nicht so bedrückt, wie ich erwartet hatte. »Was ist los?«
Mir wollten keine lockeren Worte einfallen, die zu meiner Frage hinführten, also kam ich gleich zur Sache. »Mein Cousin Claude will eine Weile bei mir wohnen. Er könnte das Schlafzimmer gegenüber von meinem benutzen, aber wenn er oben wohnt, hätten wir beide etwas mehr Privatsphäre. Falls du demnächst zurückkommst, wird er seine Sachen natürlich in das Schlafzimmer unten räumen. Ich wollte nur nicht, dass du
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