Vor Vampiren wird gewarnt
herumschwirrten. Warum war bislang noch nichts geschehen? Mir war, als wartete ich nur darauf, dass die nächste Katastrophe über mich hereinbrach. Erst als Sam mich etwas erschreckt ansah, bemerkte ich, dass ich seinen Arm umklammert hielt. Ich musste mich geradezu zwingen, meine Finger zu lockern, und neigte den Kopf zum Gebet.
Die Familie, hörte ich, würde nach der Trauerfeier noch zu einem gemeinsamen Essen mit Büfett in die Villa Belle Rive fahren. Na, hoffentlich hatten sie auch daran gedacht, Bills Lieblingssorte TrueBlood zu besorgen, dachte ich. Bill sah furchtbar aus. Am Grab stützte er sich sogar auf einen Stock. Wenn er selbst schon nichts unternahm, musste eben ich versuchen, seine Vampirschwester irgendwie aufzutreiben. Solange die Chance bestand, dass das Blut dieser Vampirin ihm helfen könnte, war es alle Mühe wert.
Ich war mit Sam zum Friedhof gefahren, und da mein Haus ganz in der Nähe lag, sagte ich ihm, dass ich nach der Beerdigung zu Fuß nach Hause gehen würde. Ich hatte eine kleine Taschenlampe in der Handtasche, und ich erinnerte Sam daran, dass ich den Friedhof wie meine Westentasche kannte. Also blieb ich, als alle anderen Trauergäste, einschließlich Bill, zum Essen in der Villa Belle Rive aufbrachen, in den dunklen Schatten stehen, bis die Friedhofsangestellten begannen, das Grab zuzuschaufeln, und machte mich dann auf den Weg durch den Wald zu Bills Haus.
Den Schlüssel hatte ich immer noch.
Ja, ich weiß, schrecklich, immer musste ich mich überall einmischen. Und vielleicht tat ich wirklich das Falsche. Aber Bill siechte dahin, und ich konnte nicht einfach ruhig danebensitzen und zusehen.
Ich schloss die Eingangstür auf und ging in Bills Büro, das früher das vornehme Esszimmer der Comptons gewesen war. Bill hatte seinen Computer und alle sonstigen technischen Geräte auf einem großen Tisch aufgestellt und sich bei Office Depot einen Drehstuhl gekauft. Ein kleinerer Tisch diente ihm als Poststation, wo Bill die CDs mit seiner Vampir-Datenbank eintütete, um sie an die Käufer zu versenden. Er inserierte viel in Vampirzeitschriften - in >Fangzahn< natürlich, und auch in >Untote live<, die in mehreren Sprachen erschien. Bills neueste Marketingidee war es, Vampire anzuheuern, die viele verschiedene Sprachen beherrschten und all die Informationen übersetzen würden, sodass er auch vermehrt fremdsprachige Ausgaben seines alle Vampire weltweit umfassenden Registers anbieten konnte. Wie ich noch von früheren Besuchen wusste, stand bei der Poststation immer ein Karton mit einem Dutzend CDs seiner Datenbank. Ich sah zweimal hin, ob ich auch wirklich eine englische Ausgabe erwischt hatte. Denn was hätte es mir genützt, wenn ich eine russische mitnahm?
Was mich natürlich gleich an Alexej erinnerte, und Alexej wiederum erinnerte mich daran, wie besorgt/ wütend/ängstlich ich war wegen Erics Schweigen.
Ich spürte, wie sich mein Mund zu einem richtig unschönen Gesichtsausdruck verzog, als ich an dieses Schweigen dachte. Aber jetzt musste ich mich erst mal um mein eigenes kleines Problem kümmern. Und so eilte ich aus dem Haus, schloss die Tür wieder ab und konnte nur hoffen, dass Bill meinen in der Luft hängenden Geruch nicht bemerken würde.
Ich lief so schnell über den alten Friedhof, als wäre es heller Tag. Als ich wieder in meinem eigenen Haus war, sah ich mich nach einem guten Versteck um. Schließlich hatte ich den Wäscheschrank im großen Badezimmer als geeigneten Platz ausgeguckt und schob die CD unter einen Stapel frischer Handtücher. Nicht mal Claude würde fünf neue Handtücher brauchen, dachte ich, bevor ich am nächsten Morgen aufstand.
Ich hörte meinen Anrufbeantworter ab und sah auf das Display meines Handys, das ich nicht mit zur Beerdigung genommen hatte. Keine Anrufe, keine SMS. Während ich mich langsam auszog, versuchte ich, mir vorzustellen, was mit Eric wohl los war. Ich hatte beschlossen, ihn nicht anzurufen, ganz gleich, was geschah. Er wusste, wo ich war und wie er mich erreichen konnte. Ich hängte mein schwarzes Kleid zurück in den Schrank, stellte meine schwarzen Pumps auf die Schuhablage und schlüpfte in mein Nachthemd mit Tweety vorne drauf, eins meiner alten Lieblingshemden. Und dann ging ich zu Bett, stinksauer wie selten.
Und mit einer Heidenangst.
Kapitel 10
Claude war letzte Nacht nicht nach Hause gekommen, sein Auto stand nicht hinter dem Haus. Ja, es waren eben immer die anderen, die Glück hatten. Aber
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