Vor Vampiren wird gewarnt
wohnte in Little Rock.
Und ich fand heraus, dass ich sie per E-Mail kontaktieren konnte. Okay, sie wäre natürlich nicht verpflichtet, mir zu antworten.
Ich starrte auf meine Hände und dachte angestrengt nach. Ich dachte daran, wie furchtbar Bill aussah, und an seinen Stolz und die Tatsache, dass er immer noch keinen Kontakt mit dieser Judith aufgenommen hatte, obwohl er selbst vermutete, dass ihr Blut ihn heilen könnte. Bill war kein Dummkopf, es gab also irgendeinen guten Grund, warum er sich bei diesem anderen Kind von Lorena nicht gemeldet hatte. Nur dass ich diesen Grund eben nicht kannte. Doch wenn Bill beschlossen hatte, sie nicht zu kontaktieren, dann wusste er sicher, was er tat, richtig? Ach, zur Hölle damit.
Ich gab ihre E-Mail-Adresse ein und bewegte den Cursor zur Betreff-Zeile. Dort schrieb ich »Bill ist krank« hinein. Ich bewegte den Cursor in das leere Feld für den Text, klickte wieder. Zögerte. Dann schrieb ich: »Ich bin Bill Comptons Nachbarin und weiß nicht, wie lange Sie schon nichts von ihm gehört haben. Aber er wohnt inzwischen wieder im alten Haus seiner Familie in Bon Temps, Louisiana. Bill hat eine Silbervergiftung erlitten und kann ohne Ihr Blut nicht gesund werden. Er weiß nicht, dass ich Ihnen schreibe. Wir waren früher mal zusammen, sind aber noch gute Freunde, und ich möchte, dass er sich wieder erholt.« Meinen Namen setzte ich natürlich auch noch darunter, anonyme Briefe sind nicht mein Stil.
Mit zusammengebissenen Zähnen klickte ich auf »Senden«.
So gern ich die CD auch behalten hätte und noch ein wenig durch das Verzeichnis gesurft wäre - mein kleiner persönlicher Ehrenkodex sagte mir, dass ich sie zurückgeben musste, ohne diesem Wunsch nachzugeben. Schließlich hatte ich sie nicht bezahlt. Also nahm ich Bills Schlüssel, packte die CD wieder in die Plastikhülle und machte mich auf den Weg über den alten Friedhof.
Ich blieb kurz stehen, als ich zur Ruhestätte der Familie Bellefleur kam. Auf Miss Carolines Grab türmten sich die Blumen. Andy stand davor und starrte auf das Kreuz aus roten Nelken. Ich fand es ziemlich hässlich, aber dies war wohl tatsächlich mal ein Fall, in dem der gute Wille mehr zählte als das Ergebnis. Und Andy fiel vermutlich sowieso nicht auf, was er da anstarrte.
Ich fühlte mich, als hätte jemand »Dieb« auf meiner Stirn eingebrannt. Dabei hätte es Andy nicht mal gekümmert, wenn ich mit einem Lastwagen vor Bills Haus vorgefahren wäre, alle Möbel eingeladen hätte und damit abgehauen wäre. Es waren meine eigenen Schuldgefühle, die mich plagten.
»Sookie«, sagte Andy. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er mich gesehen hatte.
»Andy«, erwiderte ich vorsichtig. Ich war mir nicht sicher, wohin dieses Gespräch führen würde, und ich musste bald zur Arbeit. »Sind noch Verwandte von euch in der Stadt? Oder sind schon alle wieder abgefahren?«
»Sie brechen nach dem Lunch auf«, sagte er. »Halleigh musste heute Morgen irgendwelche Unterrichtsstunden vorbereiten, und Glen ist in sein Büro gegangen, weil er Papierkram zu erledigen hatte. Portia hat das alles am meisten mitgenommen.«
»Sie wird froh sein, wenn der Alltag wieder seinen Lauf nimmt.« Das erschien mir unverfänglich genug als Antwort.
»Ja. Die Arbeit in der Rechtsanwaltskanzlei geht schließlich weiter.«
»Hat Miss Carolines Pflegerin schon einen neuen Job gefunden?« Verlässliche Pfleger waren so selten wie Schnee in Louisiana, allerdings sehr viel mehr wert.
»Doreen? Ja, sie ist quer durch den Garten gleich weiter zu Mr De Witt.« Nach einem unbehaglichen Schweigen fügte er hinzu: »Sie hat mir an dem Abend, als ihr da wart, noch die Meinung gesagt. Ich weiß, ich war nicht sonderlich höflich zu... Bill.«
»Es ist eine schwere Zeit für euch alle.«
»Ich bin nur... Es macht mich verrückt, dass wir Almosen bekommen haben.«
»Habt ihr nicht, Andy. Bill gehört zur Familie. Ich weiß, das muss seltsam sein, und ich weiß auch, dass du von Vampiren grundsätzlich nicht viel hältst. Aber er ist dein Urururgroßvater, und er wollte nur seinen Leuten helfen. Es würde dir ja auch nichts ausmachen, wenn Bill euch Geld hinterlassen hätte und hier mit Miss Caroline unter der Erde läge, oder? Es ist nur einfach so, dass Bill noch herumläuft.«
Andy schüttelte den Kopf, als umschwirrten ihn Fliegen. Sein Haar wurde dünner, fiel mir auf. »Weißt du, was der letzte Wunsch meiner Großmutter war?«
Ich hatte keine Ahnung. »Nein.«
»Sie hat
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