Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
war Winckelmann jetzt erleichtert.
Vorzuwerfen hatte er sich nichts.
Die Forderung, die er gestellt, war ihm in den Mund gelegt worden.
Er hätte ein Vielfaches billig fordern können. «Wenn des Königs Absicht wäre, einen Samen des wahren Geschmacks bei sich auszustreuen oder einen zuverlässigen Richter über Sachen, welche die Künste betreffen, in der Nähe zu haben, so sollte man erwägen, daß ich einzig in dieser Art könne angesehen werden.» Und: Der König wisse nicht, daß man einem Menschen, welcher Rom gegen Berlin verlasse und sich nicht anzutragen nötig habe, wenigsten so viel geben müsse als jemandem, welcher von dem Eismeere, von Petersburg gerufen werde. Er, Winckelmann, verlasse nicht das Eismeer, wie Euler, oder die Froschpfützen von Holland, wie Katt, sondern den schönsten Ort der Welt. Der König sollte wissen, daß er, Winckelmann, mehr als ein Algebraist Nutzen schaffen könne, und daß die Erfahrung nur von 10 Jahren in Rom weit kostbarer sei als eben soviel Jahre Ausrechnung von parabolischen Linien, die man zu Tobolsk so gut als zu Smyrna …
«Ich bin von Dessau», habe er gesagt. «Mein lieber Winckelmann, ich komme nach Rom, zu lernen, und ich habe Sie nötig.»
Franz, Fürst von Anhalt-Dessau, reiste als Graf von Sandersleben.
Acht Monate wünschte er in der Ewigen Stadt zu verweilen; Winckelmann sollte sein Führer sein.
In der Gesellschaft des Fürsten Franz befand sich Freiherr von Erdmannsdorf, Baumeister, Gartenarchitekt.
Am 27. Dezember 1765 war der Fürst in Rom eingetroffen und am 28. Dezember, spätabends, zu Winckelmann in die Villa Albani gekommen.
Zwei Monate zuvor hatte Louis Alexandre, Duc de La Rochefoucauld-Guyon, um den Beistand Winckelmanns nachgesucht.
Winckelmann widmete ihm so viel Zeit als möglich; er wollte einen Antiquar aus ihm machen. Der Duc sei der süßeste, gesittetste und gelehrteste junge Mensch, den er bisher habe kennenlernen.
Nur drei Wochen später traf eine Gesellschaft in Rom ein, in deren Mittelpunkt Graf Stargardt stand. Das war aber Prinz August von Mecklenburg-Strelitz.
Der siebzehnjährige Prinz, Bruder der Königin von England, besuchte Winckelmann am folgenden Tag in Castel Gandolfo, wo Winckelmann sich mit dem Duc de La Rochefoucauld und dessen Begleitern im Landhaus des Kardinals Albani aufhielt.
Der Prinz eröffnete Winckelmann, er wolle ein volles Jahr in Rom bleiben.
Winckelmann erhielt Dispensation von der Arbeit in der Vatikanischen Bibliothek, um den Prinzen in Rom zu führen.
«Der Prinz von Mecklenburg will ohne mich nicht aus dem Hause gehen; ich muß zwei Stunden essen, da ich mit einer Viertelstunde fertig werden könnte.»
Zu Winckelmanns hochgestellten Lehrlingen stieß ein Mann, der bei seinen Freunden unter dem Namen Yorick bekannt war.
Der Mann litt an fatalem Husten und heillosem Kopfschmerz. Von Zeit zu Zeit sprang in seiner Lunge ein Blutgefäß, besonders nach lebhaften Anstrengungen, deren bei seiner Neigung zu fashionablen Torheiten nicht wenige waren.
Seine Ärzte hatten von einem unaufschieblichen Wechsel der Luft gesprochen. Rom war eine Station auf dem Weg nach Neapel, wo er Kraft fand, dem Grab zu entfliehen.
Er trug sich mit dem Plan eines neuen Werks, zu welchem die Reise Eindrücke verschaffte.
Anfang 1766 beklagte Winckelmann, er sei der geplagteste Mensch in Rom. Der Prinz von Mecklenburg-Strelitz, der Fürst von Anhalt-Dessau und der Duc de La Rochefoucauld begehrten ständig seine Dienste als Führer, Gesprächspartner, Lehrer.
Manchmal mußte der wohlunterrichtete Prinz von Mecklenburg-Strelitz Winckelmanns Stelle bei dem Fürsten von Anhalt-Dessau vertreten, damit Winckelmann dem Duc de La Rochefoucauld einen Tag geben konnte.
Zu seinen eigenen Studien kam Winckelmann kaum.
Der Ärger über die Berliner Absage verflog.
Er war nicht zu Seiner Majestät nach Berlin gegangen.
Durchlauchtige deutsche Prinzen kamen zu ihm nach Rom.
Noch war Fürst Franz von Anhalt-Dessau in Rom, als Winckelmann der Erbprinz von Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand, avisiert wurde.
Der Erbprinz, unter dem Namen Graf von Blankenburg, kam am 18. Oktober 1766 mit reichlichem Gefolge in Rom an.
Der Erbprinz, Neffe des Preußischen Königs, hatte sich auf preußischer Seite kriegerisch hervorgetan gegen die Franzosen in der Schlacht von Hastenbeck, die die Franzosen allerdings gewannen.
Seit seiner Zeit in Seehausen war Winckelmann nicht gut auf den Abt Jerusalem in Braunschweig zu
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