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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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Jahr zu verlassen.
    Doch den 23. März an Stosch: «Ich habe zu dieser meiner Reise sowohl von meinem Herrn als von meinen Oberen eine uneingeschränkte Erlaubnis erhalten.» «Meine Abreise wird längstens den zehnten April sein.»
    Zum Reisegefährten gewann er Bartolomeo Cavaceppi, Bildhauer, Kunstsammler, Kopist, Restaurator antiker Studien, Kunsthändler. Außer der Freundschaft zu Winckelmann bewogen Cavaceppi Neugier und Geschäftssinn.
    Als Präsident der Altertümer brauchte Winckelmann einen Stellvertreter. Sein Vorschlag, Giovan Battista Visconti, wurde angenommen.
    Tatsächlich am 10. April, Sonntag Quasimodogeniti, verließen Winckelmann und Cavaceppi Rom.
    Die Stationen sollten Loreto, Bologna, Venedig, Verona, Augsburg, München, Wien, Prag, Dresden, Leipzig, Dessau, Berlin sein.
    Bald nach der Abreise aus Verona, im Trentino, bemerkte Cavaceppi an Winckelmann eine Veränderung. Winckelmann hielt die Augen oft geschlossen. Manchmal stöhnte er leise. Er mochte kaum essen und trinken.
    Auf dem Weg zur Höhe des Brennerpasses rief Winckelmann aus, es sei eine entsetzliche, schaurige Landschaft. «Diese unermeßlich emporsteigenden Berge!»
    Später wies er auf die Häuser und beklagte eine abgeschmackte Bauart. «Sehen Sie nur diese spitz zulaufenden Dächer!»
    Es half nichts, daß Cavaceppi die Spitzdächer wegen des Schnees für angemessen erklärte.
    Winckelmann sagte: «Laßt uns nach Rom zurückkehren!»
    Cavaceppi redete Winckelmann gut zu. Er verstand nicht, daß Winckelmann erdrückend von Schwermut befallen war.
    Unter solchem Umstand ging die Reise nach Augsburg.
    Für seine Geschäfte hatte Cavaceppi kaum Zeit; Winckelmann drängte. «Weiter, weiter!»
    Obwohl in München ehrenvoll empfangen, hatte Winckelmann keinen Sinn für Empfänge, Ehrungen, Gespräche.
    «Weiter!»
    Regensburg, am 25. Tag der Reise.
    Die Fahrt abzubrechen, allein nach Rom zurückzukehren: Winckelmanns Entschluß stand fest. Aber er hatte Briefe des Kardinals Albani bei sich: an die Kaiserin Maria Theresia und an den Staatskanzler Fürst von Kaunitz.
    Cavaceppi, ohne eigene Kontakte in Deutschland und des Deutschen unkundig, war ratlos, wie er allein die Reise ferner bestehen sollte.
    Er konnte Winckelmann bewegen, wenigstens noch bis Wien zu reisen.
    Endlich, am 12. Mai, Wien.
    Bankier Schmidtmayr tat sich etwas darauf zugute, Winckelmann und Cavaceppi in seinem vorzüglichen Haus zu beherbergen.
    Wien! Unter anderem Umstand hätte Winckelmann sich gefreut. Einen Tag nach seiner Ankunft wurde er von Fürst von Kaunitz empfangen und gleich darauf von Maria Theresia. Die Kaiserin schenkte ihm zwei goldene und zwei silberne Medaillen. Und Winckelmann sah Prinz August von Mecklenburg wieder.
    Aber Winckelmann hatte keine Freude mehr.
    Am zweiten Tag schrieb er an den Fürsten Franz zu Dessau, er sei mit einer großen Schwermut befallen und sehe kein anderes Mittel zu seiner Beruhigung als nach Rom zurückzugehen. Und er empfahl seinen Gefährten Cavaceppi.
    Am selben Tag an Stosch in Berlin: Er habe sich von Augsburg an die größte Gewalt angetan, vergnügt zu sein; aber sein Herz spreche nein, und der Widerwille gegen diese zweite Reise sei nicht zu überwältigen. «… so bin ich überzeugt, daß für mich außer Rom kein wahres Vergnügen zu erhoffen ist …»
    Winckelmann fiel ins Fieber und lag tagelang zu Bett.
    Cavaceppi reiste allein weiter.
    Am 28. Mai verließ Winckelmann Wien. Den 1. Juni, Mittwoch, erreichte er Triest, kurz vor zwölf Uhr mittags.
    Der Postkutscher hielt vor der Osteria Grande an der Piazza San Pietro.
    Dem Wirt, Francesco Richter, stellte er sich als Signor Giovanni vor.
    Zwei Kellner trugen Winckelmanns Gepäck ins Haus. Der Oberkellner Andreas führte Winckelmann zu seinem Zimmer Nr.   10 im 2. Stock.
    Winckelmann gefiel das Zimmer. Er konnte aus zwei Fenstern auf den Mandracchio, den Binnenhafen, blicken.
    Am Mittagstisch fragte Winckelmann den Wirt, ob er wisse, wann ein Schiff nach Ancona abgehe. Oder nach Venedig.
    Der Wirt wußte natürlich nichts, aber ein Tischnachbar sagte: «Heute abend, nach Venedig. Das Schiff von Padrone Stefano Ragusini.»
    Der Tischnachbar nannte seinen Namen: Francesco Angelis; er erbot sich, Winckelmann zu dem Schiff zu begleiten.
    Padrone Ragusini, der noch auf weitere Ladung warten wollte, vertröstete Winckelmann.
    Ein anderer Kapitän, Viezzoli, sollte angeblich zum Auslaufen nach Ancona bereit sein, aber er war nicht anzutreffen.
    Am späten

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