Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
Hamilton.
Öfter war er Gast von Lady Orford, der Schwiegertochter Robert Walpoles, Earls of Orford. Lady Orford wohnte mit ihrem Kavalier, Don Giulio Mozzi, in einem Kasino, das dem Marchese Berio gehörte.
Die meiste Zeit verbrachte Winckelmann mit Riedesel.
Das nächste waren die Sammlungen Sir Hamiltons, vornehmlich dessen Vasen. Winckelmann kam zu dem Schluß, die mehrsten dürften vermöge ihrer Eigenschaften griechischen Meistern zugewiesen werden.
Am häufigsten gingen Winckelmann und Riedesel nach Portici, sich im Museum umzutun.
Mehrmals besuchten sie die Ausgrabungen von Pompeji.
Am Morgen des 19. Oktober 1767, einem Montag, war Winckelmann mit dem königlichen Baumeister Vanvitelli nach Caserta gegangen.
An diesem Morgen brach der Vesuv aus.
«Es krachte alles in unserem Hause, da der Auswurf geschah, und das ganze Land war mit Asche bedeckt, welche ein Steingries ist, und dem schwarzen Streusande ähnlich sieht. Den Mittwoch früh ging ich zurück nach Neapel.»
Mittwoch abend machte sich Winckelmann zusammen mit Riedesel, d’Hancarville, drei Bedienten und einem Führer wieder auf den Weg nach Portici. Die Bedienten trugen Fackeln.
«Dieses geschah zu Fuße, weil wir, um bis zur Mündung zu kommen, über schreckliche Berge von alter Lava zu klettern hatten, bis wir an die neue Lava gelangten, die wir unter der oberen verhärteten Rinde laufen sahen. Endlich aber, nach dem beschwerlichsten Wege von zwo Stunden, mußten wir, um zur Mündung zu kommen, die brennendheiße Lava übersteigen, welches unser Führer sich weigerte zu tun, und da kein Mittel war, ihn zu bewegen, nötigte ihn der Stock, und d’Hancarville ging mit einer Fackel voran, und wir folgten mit zerplatzten Schuhen, so daß uns auch die Sohlen unter den Füßen verbrannten. Da wir an die Mündung kamen, fanden wir dieselbe mit der glühenden Lava vermischt, so daß die Öffnung nicht kenntlich war. Hier war ich der erste, welcher sich auszog, um mein Hemde zu trocknen, und meine Begleiter taten desgleichen. Wir brieten an dem feurigen Flusse Tauben, und ich hielt, wie die Zyklopen, nackend meine Abendmahlzeit. Auch leerten wir ein paar Flaschen Rosoli, und da wir trocken waren, suchten wir den Rückweg, welcher aber gefährlicher war als der Hingang. Endlich kamen wir gegen Mitternacht zu unseren Calessini, tranken etliche Flaschen Lacrymä zu Resina, und fuhren nach Neapel zurück.»
Der Ausbruch habe aus drei Öffnungen angefangen, und die feurigen Ströme seien derart schrecklich gewesen, daß, wenn sie sich nicht geteilt und ein tiefes Tal angefüllt hätten, es um Portici und das Museum geschehen gewesen wäre.
«Den folgenden Tag, Donnerstag, fing der Berg von Morgen bis Nachmittag dergestalt an zu wüten, daß ich davon keinen deutlichern Begriff geben kann, als von der Beschießung einer Festung mit dem allergröbsten Geschütze, und es regnete zu Neapel kleinen Bimsstein so dick, als Schneeflocken, so daß die Sonne verfinstert war.»
Riedesel versuchte, Winckelmann zu einer gemeinsamen Reise nach Griechenland zu bewegen.
Winckelmann schwankte. Aber Ende November kehrte er nach Rom zurück.
Er wollte nach Deutschland.
Das Vaterland noch einmal wiedersehen.
Das Vaterland?
«Den väterlichen Himmel!»
«Jenseits der Gebirge Ruhe finden.»
Berlin. «Das schönste Bild» – Stosch zu umarmen, den vertrauten Freund.
Fürst Franz zu sehen, der ihn in Rom nach Dessau eingeladen hatte.
Vielleicht Karl Wilhelm Ferdinand, den Erbprinzen von Braunschweig, in seinem hölzernen Lustschloß zu Salzdahlum. Vielleicht.
Heyne, den gelehrten Mann in Göttingen.
Prinz August von Mecklenburg, der sich in Wien aufhielt und Winckelmann Gesellschaft leisten wollte auf der Reise nach Dresden, wo wenigstens Francke, sein bibliothekarischer Kollege in Nöthnitz, zu sehen wäre, und weiter bis Berlin.
Oeser in Leipzig.
Die Rückreise malte er sich als ein Fest der Freunde in der Schweiz: Mechel, Paul Usteri.
Schließlich Brüssel, Paris.
Zurück nach Rom.
Urlaub für ein Jahr!
Jedoch die Reiseerlaubnis des päpstlichen Hofes?
«… ich hoffe, die Schwierigkeiten, die man mir gegen die Reise machen wird, zu überwinden, die Erlaubnis, nach Ägypten zu reisen, würde weniger schwer, als nach Berlin hin, halten.»
«… hier befürchtet man irrig, ich werde nicht zurückkommen.»
Winckelmann meinte selbst, es werde schwerhalten, seinen Herrn und ewigen Freund, den würdigen Kardinal Albani, in dessen hohem Alter auf ein
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