Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)
von Brust und Bauch.
Ich lief zu meinem Herrn und sagte, daß der Fremde verletzt sei und daß ihm die Eingeweide aus dem Bauch hingen. Mein Herr befahl mir, noch einmal hinzugehen und besser zu erkunden, was geschehen war.
Der Fremde stand noch immer am Treppengeländer. Ich dachte, jetzt stürzt er zu Boden. Ich wollte ihm helfen, aber die Köchin des Herrn von Raab warnte mich. Der Mann sei verrückt geworden und habe sich selber verletzt.
Ich sah genauer hin und sah eine Schlinge um seinen Hals; das Ende der Schlinge hing über die Brust.
Ich erzählte das meinem Herrn. Auf seinen Befehl lief ich zum dritten Mal zur Treppe. Da war niemand mehr zu sehen.
Also ging ich zum Zimmer Nr. 10. Der Verletzte saß auf einem Kanapee, und der Chirurgus Benedetto versorgte ihn.
Mitten im Zimmer lag ein spitzes Messer mit blutiger Klinge. Ich hob es auf und legte es auf ein Tischchen neben der Tür.
Ich sah, daß der Verletzte drei Wunden in der Brust und zwei im Bauch hatte; alle bluteten sehr.
Von den Mägden, die herumstanden, hörte ich, daß dieser arme verratene Mann von seinem Zimmernachbarn so verletzt worden war.
Ungefähr eine Woche nach der Flucht des Übeltäters hörte ich, der Mann ist erwischt worden. Am Nachmittag habe ich gesehen, daß ein Mann in einem Matrosenmantel von Soldaten in den Kerker geführt wurde. Ich folgte dem Trupp und ging in das Zimmer des Bargello, der den Mann visitierte. Ich habe in dem Mann den Fremden aus Zimmer Nr. 9 erkannt.›
Der Zeuge Sutter erkannte vor Gericht das Messer wieder, das er auf dem Fußboden gefunden, aufgehoben und auf das Tischchen gelegt hatte.»
«Am 27. Juni erschien der Diener Gioanni Movio vor Gericht. Er sagte, daß er am 8. Juni gegen 10 Uhr in die Küche der Osteria gegangen sei, um Wasser für seinen Herrn Carlo Maffei zu holen. Auf dem Rückweg habe er den Fremden aus Zimmer 10 die Treppe vom 2. Stock herunterkommen sehen. Um den Hals habe dem Fremden eine Schlinge gehangen. Er sei voller Blut gewesen und habe sich kaum auf den Beinen halten können.
Der Fremde habe ihm ein Zeichen gemacht, er solle ihm die Schlinge abnehmen. ‹Also stellte ich den Krug mit dem Wasser beiseite, stützte den Fremden, nahm ihm die Schlinge ab, die eng um seinen Hals lag, und ließ sie, so blutig wie sie war, vor dem Zimmer des Gastwirts fallen.›»
Die Vernehmung des Schiffseigners Giacomo Viezzoli, der Magd Theresia Paumeister, des Gaetano Vanuzzi und des Kaffeehausbesitzers Gasparo Griotti ergab nichts Neues.
Am 4. Juli wurde der Inquisite ein zweites Mal vernommen.
«Auf die Frage, wann, wie, auf welche Weise er den besagten Herrn Gioanni kennengelernt habe, sagte er: ‹Ich befand mich schon in Triest und wohnte in der Osteria Grande in Zimmer 9, als eines Vormittags kurz vor 12 Uhr der genannte Herr Gioanni mit der Post ankam; mir scheint, es war ein Mittwoch; ihm wurde das Zimmer 10 neben dem meinen zugewiesen. Danach kam er noch zum Mittagessen an den runden Tisch, wo ich bereits mit verschiedenen anderen Herren und Offizieren und dem Wirt Francesco Richter und seiner Frau Platz genommen hatte; im ganzen mochten wir wie üblich etwa 15 Personen gewesen sein.›
Gefragt, wie er den Vornamen des benannten Giovanni, ferner, ob und wie er dessen Familiennamen erfahren habe, antwortete Arcangeli: ‹Es war am zweiten oder dritten Tag nach seiner Ankunft. Wir waren am Nachmittag gemeinsam spazieren gegangen, und ich hatte ihm von der Frage des Gastwirts, wer er wohl sei, erzählt. Er hatte mir geantwortet, er sei kein anrüchiger Mann. Wir kehrten in die Osteria zurück. Kurz darauf kam er in mein Zimmer und zeigte mir einen offenen Brief, an gewisse Bankiers in Venedig adressiert, die ihm, wie er sagte, bei der Fortführung seiner Reise behilflich sein sollten. Sodann zeigte er mir einen Paß der Wiener Post und gab ihn mir ganz zu lesen, aber ich las gar nichts davon, sondern gab ihn zurück. Bei dieser Gelegenheit sagte er, daß er Gioanni heiße; er sagte mir auch seinen Familiennamen, aber den habe ich jetzt nicht mehr in Erinnerung.›
Arcangeli wurde gefragt, ob er wisse oder gehört habe, daß der genannte Gioanni Medaillen aus Silber und Gold gezeigt habe.
Arcangeli sagte: ‹Bei einem Spaziergang sagte er, daß er mir Medaillen zeigen werde. In der Tat, als wir nach Hause zurückgekehrt waren, zeigte er mir, bevor wir zu Tisch gingen, zwei goldene und zwei silberne Medaillen. Ich fragte den Gioanni, welchen Wert diese Medaillen
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