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Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition)

Titel: Vorbei: Drei Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Schädlich
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meine Osteria. Ich war nicht im Hause, meine Frau gab ihm Zimmer 9. Ich begrüßte ihn später. Er sagte, er werde einige Tage in Triest bleiben und dann nach Venedig zurückreisen. Er hatte kein Gepäck, nur etwas Zeug in einem Tuch.
    Zwei Tage später kam ein gewisser Gioanni Winckelmann in die Osteria. Er kam aus Wien und wollte nach Rom. Ich gab ihm Zimmer 10, neben dem anderen. Die beiden saßen bald beim Essen an der Table d’hôte nebeneinander, aßen gemeinsam zu Abend in Nr.   9 und gingen zusammen in die Stadt und in die Kaffeehäuser. Ich vermutete, sie seien Freunde.
    Am Morgen des 8. Juni war ich mit meiner Frau in der Minoritenkirche. Nach dem ersten Segen machte ich mich auf den Heimweg. Da sah ich meine Magd Theresa mir entgegenkommen. Sie sagte, ich möge nach Hause eilen, denn der Herr in Nr.   10 spucke Blut. Ich lief zu meinem Gasthof, stieg die Treppe hinauf und sah im ersten Stock vor meinem Zimmer Blut auf dem Fußboden.
    Mein Kellner Andreas sagte mir, er habe oben Lärm gehört und sei in den zweiten Stock gegangen. Er habe die Tür von Nr.   10 geöffnet. Winckelmann habe auf dem Fußboden gelegen und über ihm habe der Angelis mit einem Messer in der Hand gestanden. Der Angelis sei zur Tür gelaufen, habe Andreas beiseite gestoßen und sei geflohen.
    Winckelmann aber sei schließlich nach unten, in den ersten Stock, gewankt, um mich zu rufen, aber ich war nicht da.
    Ich lief zum Zimmer 10. Winckelmann saß blutüberströmt auf dem Kanapee. Der Chirurgus Benedikt Fleck verband Winckelmann. Viele Leute standen um Winckelmann herum. Eine Magd ging, die Kapuziner zu rufen. Anderen Mägden wurde befohlen, weiteres Verbandzeug etc. zu holen.
    Dann kam das Hohe Gericht. Winckelmann, gestützt von den Kapuzinern, beichtete und kommunizierte. Gegen vier nachmittags starb er.
    Das Gericht ließ einen Wächter im Zimmer und kam am nächsten Tag mit Ärzten und Chirurgen zurück, um den Leichnam zu sezieren. Mehr wüßte ich nicht zu sagen.»
    «Befragt, wie er das Aussehen des Angelis beschreibe, antwortete er: ‹Er war ein Mann von mittlerer Größe, eher dick als mager, von brauner Gesichtsfarbe; er trug seine eigenen Haare, hinten mit einem schwarzen Bande gebunden, Farbe der Haare und Augenbrauen schwarz; an den Seiten waren die Haare größtenteils in Papilotten gelegt; sein Gesicht pockennarbig. Er trug einen Schoßrock, eine Weste aus weißer Seide mit silbernen Blümchen; schwarze Hosen, manchmal, der Farbe der anderen entsinne ich mich nicht; weiße oder schwarze Strümpfe; an die Art der Schuhschnallen erinnere ich mich nicht.›»
    Am 15. Juni erschien vor dem Kriminalgericht Andreas Harthaber, Kellner in der Osteria Grande.
    Ob er den Grund seiner Vernehmung sich denken könne.
    «Ich nehme an, daß ich wegen des Mordes vor dieses Gericht geladen bin, der vor sieben Tagen in der Osteria Grande, wo ich diene, verübt worden ist.»
    «Auf die Frage, welcher Mord zu der angegebenen Zeit an dem angegebenen Ort geschehen sei und was er darüber wisse, antwortete er: ‹Vor sieben Tagen befand ich mich gegen 10 Uhr vormittags im Eßzimmer der Osteria, das unter dem Zimmer Nr.   10 des zweiten Stockes liegt, und putzte Bestecke. Plötzlich hörte ich über mir in Nr.   10 einen Lärm, und ich dachte, die Mägde rücken das Bett an eine andere Stelle. Das kommt zuweilen vor, wenn der Gast es so will. Aber dann hörte ich ein anderes Geräusch, das so klang, als ob jemand zu Boden fällt. Ich ging nach oben bis zur Tür von Nr.   10. Ich öffnete sie und sah den Herrn, der im Zimmer 10 wohnte, auf dem Fußboden liegen. Der andere aus Nr.   9 kniete und hatte die Hände über der Brust des Herrn. Als er mich gesehen hatte, sprang er auf, rannte auf mich zu, versetzte mir einen Stoß, der mich zur Seite warf, und floh.
    Ich ging zu dem Herrn, der an Boden lag, und wollte ihn aufheben, aber er stand von selbst auf, und ich konnte sehen, daß ihm Blut aus der Brust floß. Ich fragte ihn, was geschehen sei. Er hob seine Hand und sagte:, Sieh, sieh, was er mir angetan hat.‘
    Ich sagte ihm, er möge im Zimmer bleiben, ich würde nach einem Chirurgen laufen. Ich lief in das Haus des Chirurgen Benedikt Fleck, traf ihn aber nicht an. Den Leuten in seinem Haus trug ich auf, nach ihm zu suchen, damit er unverzüglich zur Osteria käme.
    Auf dem Rückweg zur Osteria traf ich auf einen Gendarmen und sagte ihm, in unserer Osteria habe jemand einen anderen schwer verletzt.
    In der Osteria fand ich

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