Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
macht … einfach Spaß, mit dir was zu unternehmen.«
Mir sank das Herz. Die Antwort mit dem beschissenen Callboy wäre mir lieber gewesen.
»Danke«, sagte ich.
»Wollen wir schon irgendwo etwas essen?«, fragte er.
»Klar. Lass uns bei
Francesco
auf der Route 110 Pizza essen. Dort bin ich auch schon seit Urzeiten nicht mehr gewesen.«
Ich fuhr uns hin, und wir teilten uns einen Peperoniauflauf, aßen eingelegten Knoblauch dazu und erzählten uns noch mehr Geschichten über unsere Jugend in den Achtzigern und wo wir abgehangen hatten (ich in der Walt Whitman Mall, er an der Sunken Meadow Promenade oder in den Diner-Imbissen in und um Massapequa). Dann fragte mich Devin über Massachusetts aus. War das Seafood wirklich so gut? Wie waren die Strände im Vergleich zu unseren? Welche Stadt mochte ich lieber, Boston oder Manhattan? Dehnten sie dort wirklich die Vokale so? Und so weiter. Im Verlauf des Gesprächs bekam ich immer mehr Heimweh nach den geschmacklosen Bagels, der abscheulichen Pizza und der tröstenden Wärme der Muschelsuppe. Ich sehnte mich danach, mit meinen FreundenBaseballspiele anzusehen oder Tennis zu spielen und die Meeresbrise zu riechen, die zu Sonnenuntergang durch meine geöffneten Fenster hereinwehte. Ich wünschte mir wieder ein langsameres Lebenstempo.
»Ist alles okay mit dir?«, fragte er.
»Ja«, sagte ich wehmütig.
»Du bist eine Million Meilen entfernt.«
Langsam schüttelte ich den Kopf. »Nur jenseits der Braga-Brücke.«
Wir sahen uns die Zugfahrzeiten an, und ich fuhr ihn nur an die Huntington Station und nicht den ganzen Weg bis nach Hicksville. Sich am Abend dem Ansturm der Rushhour zu stellen, war ungefähr so, als führe man eine Einbahnstraße hinunter, auf der eine Herde wild gewordener Stiere auf einen zugerast kam. Statt einzuparken und ihn zum Gleis zu bringen, hielt ich mit laufendem Motor bei den Taxen an.
»Vielen Dank, Andi.«
»Ja, es hat wirklich Spaß gemacht«, sagte ich und ärgerte mich sofort über das Wort Spaß.
»Es war einfach unheimlich schön.«
»Ja, fand ich auch.«
Wir saßen eine ganze Minute da rum wie bei einer ersten Verabredung und wussten beide nicht, was wir machen sollten. Keiner wollte den ersten Schritt tun. Die Klimaanlage surrte laut.
Genau wie am Morgen davor lehnte er sich schnell vor und küsste mich auf die Wange, bevor ich die Möglichkeit hatte, mich zu bewegen oder ihn zu küssen.
»Bis nächste Woche«, sagte er, stieg aus dem Auto und bahnte sich einen Weg durch die herausströmenden Pendler.
Ich fuhr ganz still nach East Meadow, selbst die Klimaanlage störte mich nicht. Wahrscheinlich näherte Devin sich schlafend der Penn Station, während ich mich langsam Zentimeter umZentimeter die Jericho-Schnellstraße herunterarbeitete, hellwach und tief in Gedanken. Es war wirklich ein sehr schöner Tag gewesen.
Kapitel dreizehn
AUGUST
SECHSTE WOCHE UNSERER VEREINBARUNG
In der sechsten Woche wurden der Unterricht und die Hausaufgaben riskanter, herausfordernder und rhetorischer. Devin ließ mich an einem phallischen Wassereis lutschen, ich ließ ihn Kommentare schreiben über eine Razzia im Prostituierten-Milieu, bei der der festnehmende Beamte anscheinend eine Prostituierte vergewaltigte, nachdem diese sich offenbar geweigert hatte, es ihm umsonst zu machen, wenn er sie laufen ließ. Er setzte sich mit logischen Trugschlüssen auseinander, ich machte alle möglichen Stretching-Übungen, um gelenkiger für diverse sexuelle Positionen zu werden. Ich trug ihm auf, Aristoteles‘
Rhetorik
zu lesen, wofür ich im Gegenzug den Film
Sex für Paare – So machen Sie mehr aus Ihrem Liebesleben
ansehen musste, der den Titel
Abspritzen mit den Jones
verdient hätte.
Devin bat mich darum, ihm die verschiedenen Schreibformen zu erläutern, und ich skizzierte ihm, was man in der Rhetorik unter die Kategorien Einleitung, Darlegung des Sachverhalts, Beweisführung und Redeschluss subsumierte. Außerdem beschrieb ich ihm, wie man sie nutzen konnte, um mit sprachlichen Mitteln seine rhetorischen Ziele zu erreichen.
»Und was hast du gegen sie einzuwenden?«, fragte er.
»Eigentlich nichts«, antwortete ich. »Es ist nur die Art und Weise, in der sie unterrichtet werden.« Dann ließ ich mich zu einer Schmährede hinreißen: Meistens unterrichtete man die Schreibformen, einzeln und aus dem Zusammenhang gerissen, als lineare Formeln, was dazu führte, dass die Studenten ihre eigentlichen Ziele aus den Augen verloren und sich
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