Vorgetäuscht: Liebesroman (German Edition)
Enttäuschung war schlimmer, als hätte er wirklich uns gehört und wir hätten ihn an eine andere Frau verloren. Denn er gehörte niemandem.
Kapitel vierzehn
Devin hielt Wort und rief mich am nächsten Tag an. Ich musste schlucken und tief Luft holen, bevor ich sprechen konnte.
»Es tut mir leid wegen gestern«, sagte ich.
»Schon okay.«
»Es war das erste Mal, dass ich dich in Gesellschaft gesehen habe, seit wir unsere Vereinbarung haben. Es hat mich überrascht.«
»Ich hätte dich nicht ansprechen sollen«, kam er mir entgegen. »Das war total unprofessionell von mir. Ich gehe nie auf meine Klientinnen zu, wenn sie mir nicht zuerst ein Zeichen machen.«
Dass er mich als
Klientin
bezeichnete, beunruhigte mich. Was hatten wir denn in den letzten sechs Wochen in seiner Wohnung und in den letzten drei Wochen in den Museen, Cafés und Buchläden getan? Er konnte mich doch nicht so einfach mit seinen anderen Klientinnen vergleichen. Hatte ich mich geirrt, als ich Jayce gesagt hatte, dass wir Freunde seien? Aber es schien kein anderes Wort dafür zu geben.
Ich wollte die Stille in der Leitung nicht wahrhaben.
»Also«, nahm er das Gespräch wieder auf, »willst du diesen Film nun sehen? In der
Newsday
hat er dreieinhalb Sterne bekommen.«
Ich war verblüfft. Ich hatte nicht erwartet, dass er mich anrufen würde, und noch viel weniger, dass er bei seiner Einladung blieb. Wenn ich überhaupt etwas erwartet hatte, dann vielleicht, dass er anrufen würde, um zu sagen, dass es besser wäre, wenn wir uns nicht mehr sehen würden, auch wenn offiziell noch ein Treffen ausstand. Dass wir uns zu nah gekommen wären undden Vertrag gebrochen hätten, und dass wir lieber, statt die Strafe zu zahlen, getrennte Wege gehen sollten. Doch stattdessen schlug er mir eine Zeit für den Kinofilm vor. Mann, er hatte sogar Karten vorbestellt: Er ging ganz offensichtlich davon aus, dass wir zusammen dorthin gehen würden. Zur Hölle, er hatte es einfach geplant, als sei ich am Vortag nicht komplett ausgeflippt. Ich war nicht daran gewöhnt, dass ein Mann zu mir hielt, vor allem nicht, wenn ich unsicher war.
»Klar«, sagte ich ziemlich benommen.
Kapitel fünfzehn
LETZTE WOCHE UNSERER VEREINBARUNG
Am Vortag hatten wir den Schreibunterricht beendet. Devin gab seine überarbeiteten Texte ab, darunter die biografische Abhandlung, eine Erläuterung und eine eher literarische Erzählung, die ich ihm bei unserem ersten Treffen aufgegeben hatte, sowie fünf Tagebucheinträge und ein kurzer, reflektierender Essay, wie ich ihn auch von meinen Studenten erwartete.
Ich habe gelernt, dass meine Stärke beim Schreiben in meiner Geduld liegt. Ich überlasse mich dem Prozess, statt irgendetwas zu forcieren. Und doch bin ich oft überrascht von dem, was entsteht. Oft kommt erst in der dritten Fassung zum Vorschein, was ich eigentlich wirklich sagen will. Ich schreibe gerne deskriptiv und benutze gerne Bilder. Sprache ist der Kunst insofern nicht unähnlich, als dass Worte Licht und Schatten, Nuancen und Färbungen, Beschaffenheit und Sinnlichkeit transportieren. Mit Worten kann man komplexe Bilder malen.
Meine Schwäche liegt wahrscheinlich in meiner mangelnden Überzeugungskraft. Auch das hat damit zu tun, dass ich Zeit brauche, um das, was ich wirklich sagen will, aufzudecken. Wenn ich dem schließlich auf die Schliche komme, habe ich die Leser schon mit allen möglichen Informationen abgelenkt, die für die Argumentation nicht unbedingt notwendig wären. Aber ich bin sicher, wenn ich mir gute Beispiele ansehe und weiter übe, kann ich besser werden. Außerdem möchte ich meine Fähigkeiten verbessern, einen Text kritisch zu lesen, so wie ich jetzt bereits visuelle Objekte analysieren kann.
Die angenehme Überraschung bestand darin, wie viel Spaß mir das Schreiben und der Prozess gemacht haben. Ich werde noch viel mehr darüber lesen (auch wenn ich zugeben muss, dass die griechischen Klassiker nicht mein Geschmack waren – vielleicht werde ich es mal mit den römischen versuchen), und mir ist aufgefallen, dass ich einiges jetzt anders sehe. Das hätte ich niemals erwartet. Und nicht nur das,sondern ich denke auch über das nach, was ich sehe. Mir kommen auch sehr viele Erinnerungen in den Sinn – angenehme und unangenehme, die mir neue Perspektiven ermöglichen. Alles im allem glaube ich, dass ich mich tapfer geschlagen habe, und ich bin dankbar, dass ich eine Lehrerin hatte, die nachdenklich, herausfordernd und talentiert ist.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher