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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Mörder, den wir suchen, zur unauffälligen Sorte gehört.«
    »Das stimmt. Aber es gibt mehr Arten, unauffällig zu sein, als Sie glauben.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nehmen wir den hypothetischen Fall an, dass einige Wochen vor dem Mord ein unheimlicher Fremder ohne ersichtlichen Grund auf der Szene erscheint – das würde doch auffallen. Wäre es nicht besser, der Fremde träte als Durchschnittsperson auf, die irgendeinem harmlosen Sport wie Fischen nachgeht?«
    »Oder der Beobachtung von Vögeln«, stimmte ich zu.
    »Aber das habe ich doch gerade gesagt.«
    »Andrerseits«, fuhr Poirot fort, »könnte es auch von Vorteil sein, wenn der Mörder eine auffällige Persönlichkeit wäre – beispielsweise der Metzger. Dies hätte für sich, dass niemand sich über Blutflecken an seiner Kleidung aufregen würde.«
    »Das ist doch lächerlich. Die Leute würden es sofort wissen, wenn sich der Metzger mit dem Bäcker gestritten hätte!«
    »Nicht, wenn der Metzger nur deshalb Metzger geworden wäre, um eine Chance zu haben, den Bäcker zu ermorden. Man muss immer einen Schritt zurückdenken, mein Freund.«
    Ich sah ihn forschend an, um herauszubekommen, ob in seinen Worten ein versteckter Hinweis lag. Wenn sie einen konkreten Sinn hatten, konnten sie sich nur auf Colonel Luttrell beziehen. Hatte er ein Gästehaus eröffnet, um sich die Gelegenheit zu verschaffen, einen seiner Gäste zu ermorden?
    Poirot schüttelte freundlich den Kopf. »Von meinem Gesicht werden Sie die Antwort nicht ablesen«, sagte er.
    »Sie können einen wirklich verrückt machen, Poirot«, seufzte ich. »Jedenfalls ist Norton nicht der Einzige, den ich verdächtige. Was ist mit diesem Allerton?«
    »Sie mögen ihn nicht?«, fragte Poirot mit unbewegter Miene.
    »Nein, gar nicht. Sie etwa?«
    »Nein. Aber die Frauen fliegen auf ihn«, sagte Poirot zögernd.
    »Wie können Frauen nur so dumm sein!«, rief ich aus.
    »Was finden sie bloß an so einem Kerl?«
    »Wer weiß? Aber es ist immer das Gleiche. Ein mauvais sujet – zieht die Frauen an.«
    »Aber weshalb?«
    Poirot zuckte die Schultern. »Vielleicht finden sie etwas an ihm, das wir nicht sehen können.«
    »Aber was denn?«
    »Vielleicht zieht sie die Gefahr an… Jeder braucht in seinem Leben ein Quäntchen Gefahr, mein Freund. Manche holen es sich aus zweiter Hand – zum Beispiel bei Stierkämpfen. Einige holen es sich aus Büchern, andere aus Filmen. Doch das eine ist gewiss – zu viel Sicherheit ist der menschlichen Natur zuwider. Männer haben viele Möglichkeiten, sich Gefahren auszusetzen – Frauen müssen sich hauptsächlich auf Liebesabenteuer beschränken, wenn sie Gefahr suchen. Deshalb freuen sie sich, wenn ihnen der geschmeidige Gang und die eingezogenen Krallen den Tiger verraten. Der brave Kerl, der einen guten Ehemann abgeben würde – an ihm gehen sie vorbei.«
    Einige Minuten lang hing ich düsteren Gedanken über dieses Thema nach. Dann nahm ich den früheren Faden wieder auf.
    »Wissen Sie, Poirot«, sagte ich, »es wird mir ein Leichtes sein, herauszufinden, wer X ist. Ich brauche nur herumzuhorchen und festzustellen, wer mit all diesen Leuten bekannt war. Ich meine, mit denen aus Ihren fünf Fällen.«
    Ich stieß dies triumphierend hervor, doch Poirot sah mich nur geringschätzig an.
    »Ich habe Sie nicht hergebeten, Hastings, um zuzusehen, wie Sie tölpelhaft und mühsam den Weg entlangstolpern, den ich bereits gegangen bin. Und lassen Sie sich gesagt sein, dass es nicht ganz so einfach ist, wie Sie denken. Vier der Fälle haben sich in der hiesigen Grafschaft ereignet. Die Leute, die sich unter diesem Dach versammelt haben, sind keine Fremden, die hier zufällig zusammengetroffen sind. Styles ist kein Hotel im üblichen Sinne. Die Luttrells stammen aus dieser Gegend; es ging ihnen schlecht, und sie haben dieses Gut gekauft und damit ihr Glück versucht. Die Gäste, die herkommen, sind ihre Freunde oder auf Empfehlung von Freunden hier. Sir William hat die Franklins eingeladen. Diese wiederum haben Norton und, wie ich glaube, auch Miss Cole überredet, herzukommen – und so weiter. Damit ist also eine große Wahrscheinlichkeit gegeben, dass eine Person, die mit einem der Anwesenden bekannt ist, mit allen bekannt ist. X kann sich auch dort versuchen, wo alle Bescheid wissen. Nehmen wir den Fall des Arbeiters Riggs. Das Dorf, in dem sich die Tragödie abspielte, liegt nicht weit entfernt von dem Haus von Boyd Carringtons Onkel. Mrs Franklins Familie hat ebenfalls

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