Vorhang
männlicher Typ.
»Du bist noch die Gleiche wie mit siebzehn, Babs«, sagte er. »Erinnerst du dich noch an dein Gartenhaus und an das Vogelbad und die Kokosnüsse?« Er wandte sich zu mir um. »Barbara und ich sind alte Spielkameraden«, erklärte er.
»Spielkameraden!«, protestierte sie.
»Oh, ich leugne gar nicht, dass du über fünfzehn Jahre jünger bist als ich. Aber ich habe als junger Mann mit dir gespielt, als du noch ein Dreikäsehoch warst. Ich habe dich huckepack getragen, meine Liebe. Und als ich später wieder zurückkam, war aus dir eine schöne junge Dame geworden, die gerade dabei war, in die Welt hinauszutreten – und ich trug mein Teil dazu bei, indem ich dich auf die Golfplätze mitnahm und dir Golf beibrachte. Erinnerst du dich?«
»O Bill, glaubst du, das könnte ich je vergessen?«
Zu mir gewandt, fuhr sie fort: »Meine Familie lebte in dieser Gegend. Und Bill hielt sich oft auf Knatton bei seinem alten Onkel, Sir Everard, auf.«
»Ein richtiges Mausoleum war das – und ist es noch«, sagte Boyd Carrington. »Manchmal gebe ich fast die Hoffnung auf, es wohnlich machen zu können.«
»O Bill, es lässt sich doch herrlich einrichten!«
»Mir fehlt einfach die Fantasie, Babs. Bäder und einige gemütliche Sessel – das ist alles, was mir einfällt. Ich brauche die Hilfe einer Frau.«
»Ich hab dir schon gesagt, dass ich dir helfen will. Ich meine es ernst.«
Sir William schaute zweifelnd zu Schwester Craven hinüber. »Wenn du dich stark genug fühlst, könnte ich mit dir hinfahren. Was meinen Sie, Schwester?«
»O ja, Sir William, ich glaube, das würde Mrs Franklin guttun – sie darf sich nur nicht überanstrengen.«
»Also abgemacht«, sagte Boyd Carrington. »Und jetzt schlaf schön, damit du zu Kräften kommst!«
Wir wünschten Mrs Franklin Gute Nacht und gingen gemeinsam hinaus. »Sie haben keine Ahnung«, sagte Boyd Carrington auf dem Weg nach unten verdrießlich, »was für ein liebliches Geschöpf sie mit siebzehn war. Ich war auf Heimaturlaub von Burma – meine Frau ist dort gestorben, wissen Sie. Ich sag Ihnen, ich war ganz hingerissen von ihr. Drei oder vier Jahre später heiratete sie Franklin. Ich halte die Ehe nicht für glücklich. Meiner Ansicht nach ist das die Ursache ihrer Krankheit. Er versteht sie nicht und weiß nicht, was er an ihr hat. Und sie ist sehr sensibel. Ich glaube, dass ihre Kränklichkeit hauptsächlich nervlich bedingt ist. Man muss ihr Abwechslung bieten und Unterhaltung, dann ist sie gleich ein ganz anderer Mensch! Aber dieser sture Knochenflicker interessiert sich nur für Reagenzgläser und westafrikanische Eingeborene.« Er schnaubte ärgerlich.
Ich fand, dass an dem, was er gesagt hatte, etwas dran war. Es überraschte mich, dass Boyd Carrington an Mrs Franklin Gefallen fand, die letzten Endes ein kranker Mensch war, wenn sie auch eine gewisse zerbrechliche Schönheit besaß. Boyd Carrington selbst strotzte vor Kraft und Vitalität, sodass ich eher gedacht hätte, er würde dieser Art von neurotischer Krankheit nur mit Ungeduld begegnen. Barbara Franklin musste als junges Mädchen recht hübsch gewesen sein, und bei Männern des idealistischen Typs, zu denen ich Boyd Carrington rechnete, bleiben frühe Eindrücke lange haften.
Unten stürzte sich Mrs Luttrell auf uns und schlug eine Partie Bridge vor. Ich entschuldigte mich damit, dass ich Poirot Gesellschaft leisten wollte.
Ich traf meinen Freund im Bett an. Curtiss räumte im Zimmer auf, ging aber gleich darauf hinaus und schloss hinter sich die Tür.
»Zum Teufel mit Ihnen, Poirot!«, sagte ich. »Sie mit Ihrer verdammten Geheimnistuerei! Ich hab den ganzen Abend nichts anderes getan, als X zu suchen.«
»Das hat Sie sicher etwas distrait gemacht«, bemerkte mein Freund. »Ist Ihre Geistesabwesenheit niemand aufgefallen, hat Sie niemand gefragt, was mit Ihnen los ist?«
Ich dachte an Judiths Frage und errötete. Ich glaube, Poirot entging mein Unbehagen nicht. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen maliziösen Lächeln. Er meinte jedoch nur: »Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«
»Würden Sie es mir sagen, wenn ich richtig getippt habe?«
»Natürlich nicht.«
Ich sah ihn aufmerksam an. »Ich hatte an Norton gedacht – «
Poirot verzog keine Miene.
»Nicht, dass ich irgendwelche Anhaltspunkte hätte. Ich dachte an ihn nur, weil die andern noch weniger infrage kommen. Und außerdem ist er – nun ja – unauffällig. Ich gehe davon aus, dass der Typ
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