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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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– «
    Es war wirklich Pech. Eine Bemerkung, die man überall hätte machen können. Unter den gegebenen Umständen klang sie allerdings äußerst unpassend, und Norton merkte dies, sobald die Worte heraus waren. Er stockte, schnappte nach Luft und schwieg verlegen, wodurch alles noch schlimmer wurde.
    Er und ich begannen gleichzeitig von etwas anderem zu reden. Ich machte eine idiotische Bemerkung über das Abendrot. Norton murmelte etwas von einer Partie Bridge nach dem Essen.
    Colonel Luttrell nahm von beidem keine Notiz. Er sagte mit seltsam ausdrucksloser Stimme: »Nein, Boyd Carrington würde von seiner Frau nicht tyrannisiert werden. Er würde sich einfach nicht tyrannisieren lassen. Er ist in Ordnung. Er ist eben ein Mann!«
    Es war sehr peinlich. Norton begann wieder über Bridge zu schwätzen. Währenddessen flatterte eine große Ringeltaube über unsere Köpfe und ließ sich auf einem in der Nähe stehenden Baum nieder.
    Colonel Luttrell hob sein Gewehr. »Da ist wieder eins von den Biestern!«, sagte er.
    Doch bevor er auf die Taube zielen konnte, hatte sie sich erhoben und war zwischen den Bäumen davongeflogen.
    Im nächsten Augenblick zog eine Bewegung am Hang die Aufmerksamkeit des Colonels auf sich.
    »Verdammt, dort drüben knabbert ein Kaninchen die jungen Obstbäume an. Dabei habe ich einen Zaun gezogen!«
    Er hob das Gewehr, schoss, und soviel ich sah…
    Von drüben ertönte der Schrei einer Frau, der in einem grässlichen Gurgeln erstickte.
    Der Colonel sackte in sich zusammen, das Gewehr entglitt seiner Hand – er biss sich auf die Lippen.
    »Mein Gott – das ist Daisy!«, rief er.
    Ich rannte über den Rasen. Norton folgte mir. Es war tatsächlich Mrs Luttrell. Sie hatte sich niedergekniet, um einen jungen Obstbaum an einen stützenden Pfahl zu binden. Das Gras war hier sehr hoch, weshalb der Colonel sie nicht erkannt, sondern nur eine Bewegung im Gras wahrgenommen haben musste. Außerdem war das Licht sehr ungünstig. Die Kugel hatte ihre Schulter durchschlagen, und aus der Wunde schoss Blut.
    Ich beugte mich hinab, um die Verletzung zu untersuchen, und sah dann zu Norton auf. Er lehnte mit grünlich verfärbtem Gesicht an einem Baum und machte den Eindruck, als würde er sich gleich übergeben. »Ich kann kein Blut sehen«, sagte er entschuldigend.
    »Holen Sie Franklin! Oder die Schwester!«, befahl ich.
    Er nickte und lief davon.
    Schwester Craven erreichte den Schauplatz des Geschehens als Erste. Sie war in unglaublich kurzer Zeit da und machte sich sofort daran, die Blutung zu stillen. Gleich darauf traf Franklin ein. Sie schafften die Verletzte ins Haus und betteten sie in ihr Zimmer. Franklin versorgte die Wunde und rief dann den Hausarzt an, während Schwester Craven bei Mrs Luttrell blieb.
    Ich traf Franklin, als er vom Telefonieren kam.
    »Wie geht es ihr?«
    »Oh, sie wird es überstehen. Zum Glück ist kein lebenswichtiges Organ verletzt. Wie ist es passiert?«
    Ich berichtete. »Ich verstehe«, sagte er. »Wo ist der alte Knabe? Er wird einen ziemlichen Schock haben. Möglicherweise muss man sich um ihn mehr kümmern als um sie. Sein Herz ist nicht mehr das beste.«
    Wir fanden Colonel Luttrell im Rauchzimmer. Er sah um den Mund herum bläulich aus und machte einen ganz benommenen Eindruck. Er sagte matt: »Daisy? Ist sie – wie geht es ihr?«
    »Sie wird durchkommen«, antwortete Franklin schnell. »Machen Sie sich keine Sorgen!«
    »Ich – dachte – ein Kaninchen – an der Rinde – weiß nicht, wie mir ein solcher Fehler unterlaufen konnte. Die Sonne muss mich geblendet haben.«
    »So was kann passieren«, meinte Franklin nüchtern. »Ich habe schon ein oder zwei ähnliche Fälle erlebt. Aber lassen Sie mich Ihnen ein Stärkungsmittel geben. Es scheint Ihnen nicht sehr gut zu gehen.«
    »Ich bin ganz in Ordnung. Kann ich – kann ich zu ihr?«
    »Im Augenblick nicht. Schwester Craven ist bei ihr. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen. Es geht ihr recht gut. Dr. Oliver wird gleich hier sein und es Ihnen bestätigen.«
    Ich verließ die beiden und trat hinaus in die Abendsonne. Judith und Allerton kamen den Weg entlang auf mich zu. Er hatte den Kopf zu ihr geneigt, und beide lachten.
    Nach der Tragödie, die sich gerade ereignet hatte, brachte mich dieser Anblick sehr auf. Ich rief scharf Judiths Namen, und sie sah überrascht auf. Mit wenigen Worten berichtete ich, was passiert war.
    »Was für eine seltsame Begebenheit«, lautete der Kommentar meiner

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