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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Tochter.
    Es schien sie bei Weitem nicht so zu berühren, wie ich erwartet hatte.
    Allertons Reaktion war empörend. Offenbar hielt er das Ganze für einen großartigen Scherz.
    »Geschieht der alten Xanthippe recht«, meinte er. »Er hat es bestimmt mit Absicht getan!«
    »Ganz gewiss nicht«, wies ich ihn zurecht. »Es war ein Unfall.«
    »Ja, ja, ich kenne solche Unfälle. Sie kommen manchmal verdammt gelegen. Ich sage Ihnen, wenn der alte Knabe mit Absicht auf sie gezielt hätte, würde ich den Hut vor ihm ziehen.«
    »Sie liegen mit Ihrer Vermutung vollkommen falsch«, erwiderte ich verärgert.
    »Seien Sie da nicht so sicher. Ich kannte zwei Männer, die ihre Frauen erschossen haben. Der eine hat seinen Revolver geputzt. Der andre hat aus Spaß auf sie angelegt, behauptete er, und nicht gewusst, dass das Ding geladen war. Beide sind damit durchgekommen. Verdammt schlauer Trick, würde ich sagen.«
    »Colonel Luttrell ist nicht der Typ!«, meinte ich kühl.
    »Nun, man kann nicht behaupten, dass es für ihn keine Erleichterung gewesen wäre, oder?«, fragte Allerton beharrlich. »Sie haben nicht zufällig Streit gehabt?«
    Ich wandte mich ärgerlich ab, womit ich zugleich eine gewisse Verwirrung zu verbergen suchte. Allertons Vermutungen waren nicht so leicht von der Hand zu weisen. In mir regten sich zum ersten Mal Zweifel.
    Durch das Zusammentreffen mit Boyd Carrington wurden sie nicht beseitigt. Er habe einen Spaziergang zum See hinunter gemacht, erklärte er mir. Nachdem ich ihm von dem Vorfall berichtet hatte, sagte er sofort: »Sie glauben doch nicht, dass er sie erschießen wollte, Hastings?«
    »Na, hören Sie, mein Lieber!«
    »Schon gut, schon gut! Ich hätte das nicht sagen sollen. Ich habe nur so im ersten Moment gedacht… Sie – sie hat ihn etwas provoziert.«
    Wir schwiegen beide und dachten an die unerfreuliche Szene, die wir ungewollt belauscht hatten.
    Unglücklich und besorgt ging ich hinauf zu Poirots Zimmer und klopfte an die Tür.
    Er hatte es bereits von Curtiss gehört und wartete gespannt darauf, Einzelheiten zu erfahren. Seit meiner Ankunft auf Styles hatte ich die Gewohnheit angenommen, ihm über die meisten Begegnungen und Unterhaltungen während des Tages genauen Bericht zu erstatten. Ich hatte das Gefühl, dass mein lieber alter Freund sich auf diese Weise weniger abgeschnitten vorkam. Er konnte sich der Illusion hingeben, an allem, was geschah, teilzunehmen. Mein Gedächtnis war schon immer sehr zuverlässig gewesen, und es fiel mir nicht schwer, die Unterhaltungen wörtlich wiederzugeben.
    Poirot hörte mir aufmerksam zu. Ich hoffe, dass er den hässlichen Verdacht, der sich inzwischen in meinem Gehirn festgesetzt hatte, entschieden zurückweisen würde, doch bevor er Gelegenheit hatte, mir seine Ansicht mitzuteilen, klopfe es leise an die Tür.
    Es war Schwester Craven. Sie entschuldigte sich bei uns für die Störung.
    »Tut mir leid, ich dachte, Dr. Franklin sei hier! Die alte Dame ist jetzt bei Bewusstsein und macht sich Sorgen um ihren Mann. Sie möchte ihn gern sehen. Wissen Sie, wo er steckt, Captain Hastings? Ich möchte meine Patientin nicht allein lassen.«
    Ich erbot mich, ihn zu suchen. Poirot nickte zustimmend, und Schwester Craven bedankte sich herzlich bei mir.
    Ich fand Colonel Luttrell in einem kleinen Damenzimmer, das selten benutzt wurde. Er stand am Fenster und blickte hinaus.
    Bei meinem Eintreten fuhr er heftig herum. Seine Augen sahen mich ängstlich und fragend an.
    »Ihre Frau ist bei Bewusstsein, Colonel Luttrell. Sie möchte Sie sehen.«
    »Oh.« In seine Wangen trat Farbe, wodurch mir erst bewusst wurde, wie bleich er vorher ausgesehen hatte. »Sie – sie – möchte mich sehen?«, fragte er langsam und unsicher wie ein sehr alter Mann. »Ich – ich – komme – sofort.«
    Er wankte so kraftlos auf die Tür zu, dass ich ihm zu Hilfe eilte. Beim Hinaufgehen stützte er sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich. Sein Atem ging heftig. Der Schock, von dem Franklin gesprochen hatte, war schwer.
    Wir erreichten die Tür des Krankenzimmers. Ich klopfte an, und Schwester Cravens muntere, energische Stimme rief: »Herein!«
    Ich trat mit Luttrell, den ich noch immer stützen musste, ein. Vor dem Bett stand ein Wandschirm. Wir gingen darum herum.
    Mrs Luttrell sah sehr krank aus – weiß, zerbrechlich, die Augen geschlossen. Sie öffnete sie, als wir hinter dem Schirm auftauchten.
    »George – George…«, sagte sie mit schwacher, atemloser Stimme.
    »Daisy

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