Vorhang
Lieber! So betrüblich es auch ist, Sie können letzten Endes nichts dagegen tun.«
Ich schwieg. Mochte er bei seinem Glauben bleiben, ich wusste es besser.
»Ich weiß, wie hilflos und dumm man sich vorkommt«, fuhr Norton fort, »aber es bleibt einem nichts weiter übrig, als sich die Niederlage einzugestehen. Finden Sie sich damit ab, Mann!«
Ich widersprach ihm nicht, sondern ließ ihn reden. Dann bog ich entschlossen noch einmal um die Hausecke.
Die beiden waren verschwunden, aber ich hatte eine Ahnung, wo sie sein könnten. Nicht weit entfernt stand versteckt zwischen Fliederbüschen ein Sommerhäuschen.
Dorthin lenkte ich meine Schritte. Ich glaube, dass Norton mich begleitete, aber ich bin nicht sicher.
Beim Näherkommen vernahm ich Stimmen. Ich blieb stehen. Allerton sagte gerade:
»Also gut, meine Liebe, abgemacht und keine Einwände mehr. Du fährst morgen nach London. Ich werde erzählen, dass ich für ein oder zwei Tage nach Ipswich fahre, um einen alten Freund zu besuchen. Dann telegrafierst du, dass du nicht zurückkommen kannst. Und wer sollte da je etwas von dem kleinen, netten Abendessen in meiner Wohnung hören? Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst.«
Ich spürte, wie Norton mich am Ärmel zupfte. Plötzlich tat ich, als gebe ich nach, und drehte mich um. Ich musste fast lachen, als ich sein besorgtes Gesicht sah. Ich ließ mich von ihm zum Haus zurückführen und täuschte Nachgiebigkeit vor, denn in diesem Augenblick wusste ich genau, was ich zu tun hatte…
»Keine Angst, mein Guter«, sagte ich mit fester Stimme. »Es hat keinen Zweck – das habe ich jetzt begriffen. Man kann nicht über das Leben seiner Kinder bestimmen. Ich geb auf!«
Seine Erleichterung wirkte beinahe komisch.
Kurz darauf verkündete ich, dass ich früh zu Bett gehen wolle. Ich hätte Kopfschmerzen, erklärte ich Norton.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, was ich plante.
Auf dem Gang blieb ich einen Augenblick stehen. Alles schien ruhig. Niemand war unterwegs. Die Betten waren schon für die Nacht aufgeschlagen. Norton, dessen Zimmer in diesem Flügel lag, war unten geblieben, Elizabeth Cole spielte Bridge. Curtiss pflegte, wie ich wusste, um diese Zeit unten zu essen. Ich hatte freie Bahn.
Ich schmeichle mir, dass die Jahre der Zusammenarbeit mit Poirot an mir nicht spurlos vorbeigegangen sind. Ich wusste genau, welche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen waren.
Allerton würde Judith morgen nicht in London treffen.
Allerton würde morgen überhaupt niemand treffen…
Das Ganze war wirklich lächerlich einfach.
Ich lief in mein Zimmer und nahm das Fläschchen mit Aspirintabletten an mich. Dann begab ich mich in Allertons Zimmer und in sein Bad. Das Slumberyl befand sich im Medizinschränkchen. Acht, überlegte ich mir, dürften ausreichen. Die Normaldosis betrug ein oder zwei Tabletten. Acht waren deshalb bestimmt genug. Allerton hatte selbst gesagt, dass die toxische Grenze niedrig lag. Ich las das Etikett. Es ist gefährlich, die vorgeschriebene Dosis zu überschreiten.
Ich lächelte in mich hinein.
Ich wickelte mir ein seidenes Taschentuch um die Hand und schraubte die Flasche vorsichtig auf. Es durften keine Fingerabdrücke darauf zu finden sein.
Dann schüttete ich die Tabletten aus. Ja, sie hatten fast die gleiche Größe wie das Aspirin! Ich steckte acht Aspirintabletten in das Fläschchen und füllte mit Slumberyl auf. Acht Stück behielt ich. Das Fläschchen sah jetzt genauso aus wie vorher. Allerton würde keinen Unterschied bemerken.
Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Ich hatte dort – wie die meisten Gäste auf Styles – eine Flasche Whisky stehen. Ich holte zwei Gläser und einen Siphon hervor. Wie ich Allerton kannte, würde er den Drink nicht ablehnen. Wenn er heraufkam, würde ich ihn zu einem Schlummertrunk einladen.
Ich gab die Tabletten versuchsweise in ein wenig Whisky. Sie lösten sich ohne Weiteres auf. Vorsichtig kostete ich. Der Whisky schmeckte vielleicht etwas bitter, aber das fiel nicht sehr auf. Mein Plan stand fest. Wenn Allerton heraufkam, würde ich mir gerade einen Drink eingießen. Ich würde ihm das Glas anbieten und mir selbst ein anderes einschenken. Alles ganz einfach und problemlos.
Er konnte von meinen Gefühlen ihm gegenüber nichts ahnen – es sei denn, Judith hatte es ihm berichtet. Ich erwog diese Möglichkeit kurz, kam aber zu dem Schluss, dass von dieser Seite keine Gefahr drohte. Judith erzählte nie irgendetwas weiter.
Vermutlich war
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