Vorhang
gekommen?«
»Ich habe wohl befürchtet, dass Sie versuchen würden, mich an der Ausführung meines Plans zu hindern«, gestand ich beschämt.
»Gewiss hätte ich das getan! Aber ganz gewiss! Glauben Sie vielleicht, ich möchte Sie wegen eines Lumpen namens Major Allerton hängen sehen?«
»Man hätte mich nicht gefasst«, antwortete ich. »Ich hatte alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen.«
»Das glauben alle Mörder! Sie hatten genau die richtige Einstellung! Aber lassen Sie sich gesagt sein, mon ami, Sie waren bei Weitem nicht so klug, wie Sie annehmen.«
»Ich war sehr vorsichtig. Ich habe meine Fingerabdrücke von der Flasche entfernt.«
»Eben. Denn damit haben Sie zugleich Allertons Fingerabdrücke abgewischt. Und was wäre passiert, wenn man ihn tot aufgefunden hätte? Man hätte eine Autopsie gemacht und festgestellt, dass er an einer Überdosis Slumberyl gestorben ist. War es ein Unfall oder Absicht? Tiens, auf der Flasche finden sich keine Fingerabdrücke von ihm. Aber warum nicht? Ob Unfall oder Selbstmord, er hätte keinen Grund gehabt, sie abzuwischen. Man analysiert also den Flascheninhalt und entdeckt, dass fast die Hälfte durch Aspirintabletten ersetzt wurde.«
»Nun, Aspirin hat praktisch jeder«, murmelte ich zaghaft.
»Ja, aber nicht jeder hat eine Tochter, der Allerton mit unehrenhaften Anträgen nachstellt – um es altmodisch und pathetisch auszudrücken. Und Sie hatten mit Ihrer Tochter am Tag vor der Tat deswegen eine Auseinandersetzung. Zwei Zeugen, Boyd Carrington und Norton, können Ihre Wut auf Allerton bestätigen. Nein, Hastings, es hätte für Sie nicht sehr gut ausgesehen. Sie wären sofort in Verdacht geraten, und Angst – oder auch Reue – hätten Sie so mitgenommen, dass irgendein tüchtiger Polizeiinspektor sehr bald von Ihrer Schuld fest überzeugt gewesen wäre. Es ist sogar möglich, dass jemand gesehen hat, wie Sie mit den Tabletten herumhantierten.«
»Undenkbar! Es war niemand da.«
»Vor dem Fenster ist ein Balkon. Jemand könnte von dort ins Zimmer geblickt haben. Oder, wer weiß, vielleicht hat Sie jemand durchs Schlüsselloch beobachtet.«
»Was Sie immer mit Ihren Schlüssellöchern haben, Poirot! Die Leute schauen einfach nicht so oft durchs Schlüsselloch, wie Sie anzunehmen scheinen.«
Poirot schloss halb die Augen und meinte, ich sei schon immer etwas zu vertrauensselig gewesen. »Und hören Sie«, fuhr er fort, »in diesem Haus passieren die seltsamsten Dinge mit Schlüsseln. Ich persönlich habe gern das Gefühl, dass meine Tür abgeschlossen ist, selbst wenn der gute Curtiss sich im Nebenzimmer aufhält. Und wissen Sie was? Kurz nach meiner Ankunft hier verschwand mein Schlüssel – und zwar spurlos! Ich musste mir einen neuen machen lassen.«
»Jedenfalls ist nichts passiert«, sagte ich mit einem Seufzer der Erleichterung, in Gedanken noch immer mit meinen eigenen Problemen beschäftigt. »Schrecklich, sich vorzustellen, dass man sich so hinreißen lassen kann.« Ich senkte die Stimme. »Poirot, Sie glauben doch nicht, dass wegen – wegen dem Mord, der vor langer Zeit hier geschehen ist, eine Art Ansteckung in der Luft liegt?«
»Ein Mordvirus, meinen Sie? Interessanter Gedanke.«
»Häuser haben eine bestimmte Atmosphäre«, meinte ich nachdenklich. »Dieses Haus hat eine schlimme Geschichte.«
Poirot nickte. »Ja. Hier haben Menschen gelebt – mehrere –, die sich den Tod eines andern sehnlichst wünschten. Das ist nur allzu wahr!«
»Ich glaube, dass sich so was irgendwie auf einen auswirkt. Aber helfen Sie mir, Poirot! Was soll ich machen? Ich meine, mit Judith und Allerton. So geht es nicht weiter, da muss etwas geschehen! Was raten Sie mir?«
»Unternehmen Sie nichts«, antwortete Poirot mit Nachdruck. »Aber – «
»Glauben Sie mir, Sie richten am wenigsten Schaden an, wenn Sie sich nicht einmischen.«
»Soll ich mir Allerton vorknöpfen?«
»Was könnten Sie schon sagen oder tun? Judith ist einundzwanzig und für sich selbst verantwortlich.«
»Ich sollte doch in der Lage sein – «
»Nein, Hastings«, unterbrach mich Poirot. »Bilden Sie sich nicht ein, dass Sie so klug, energisch oder gar gerissen sind, sich auch nur bei einem von beiden durchzusetzen. Allerton ist es gewohnt, sich gegen wütende und machtlose Väter zu wehren, und hat wahrscheinlich noch Spaß daran. Und Judith ist kein Mädchen, das sich einschüchtern lässt. Wenn überhaupt, dann würde ich Ihnen raten, sich ganz anders zu verhalten: Ich würde ihr an
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