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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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er der Meinung, dass ich keine Ahnung von ihren Plänen hatte.
    Ich brauchte nichts weiter zu tun, als zu warten. Es würde ziemlich lange dauern, vielleicht ein oder zwei Stunden, bis Allerton heraufkam. Er ging immer spät zu Bett.
    Ich saß still da und wartete.
    Ein Klopfen an der Tür schreckte mich auf. Es war jedoch nur Curtiss. Er teilte mir mit, dass Poirot mich sehen wolle.
    Poirot! Es traf mich wie ein Schock. Ich hatte den ganzen Abend über nicht ein einziges Mal an ihn gedacht. Er musste sich gefragt haben, was mit mir los sei. Ich war etwas besorgt. Erstens schämte ich mich, weil ich ihn so vernachlässigt hatte, und zweitens durfte er nicht merken, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war.
    Ich folgte Curtiss über den Gang.
    »Eh bien!« rief Poirot. »Sie lassen mich einfach im Stich, nein?«
    Ich zwang mich zu einem Gähnen und lächelte entschuldigend. »Es tut mir schrecklich leid. Aber ich habe so furchtbare Kopfschmerzen, dass ich kaum die Augen aufhalten kann. Es muss vom Gewitter kommen, das in der Luft liegt. Ich habe mich wirklich ganz benommen gefühlt – und deshalb vollkommen vergessen, Ihnen Gute Nacht zu wünschen.«
    Meine Worte hatten die erhoffte Wirkung. Poirot zeigte sich sogleich um meine Gesundheit besorgt. Er bot mir Mittel an und beschuldigte mich, draußen im Durchzug gesessen zu haben. (Am heißesten Tag des Jahres!) Ich lehnte seine Aspirintabletten mit der Begründung ab, dass ich bereits welche genommen hätte, aber ich konnte es nicht verhindern, dass mir eine Tasse süßer, abscheulich schmeckender Schokolade aufgedrängt wurde.
    »Das stärkt die Nerven«, erklärte Poirot.
    Um weitere Diskussionen zu verhindern, trank ich sie aus, und dann wünschte ich Poirot Gute Nacht, der meinen Rückzug mit einem Schwall wohlmeinender und besorgter Ratschläge begleitete.
    Ich ging in mein Zimmer und schloss ostentativ die Tür. Später öffnete ich sie mit größter Vorsicht wieder einen Spaltbreit. Auf diese Weise konnte ich es nicht überhören, wenn Allerton heraufkam. Das würde allerdings noch einige Zeit dauern.
    Ich saß da und wartete. Ich dachte an meine verstorbene Frau. Einmal murmelte ich: »Du verstehst, Liebling, ich werde sie retten.«
    Sie hatte Judith meiner Obhut anvertraut, ich würde sie nicht im Stich lassen.
    In dem stillen Zimmer hatte ich plötzlich das Gefühl, dass Cinders mir sehr nahe war.
    Ich glaubte sie fast neben mir zu spüren.
    Und grimmig entschlossen wartete ich weiter.

13
     
    E s ist nicht ganz einfach, kaltblütig über ein Ereignis zu berichten, das meiner Selbstachtung einen ziemlichen Stoß gab.
    Die Wahrheit sieht nämlich so aus: Während ich dort saß und auf Allerton wartete, schlief ich ein!
    Vermutlich ist das gar nicht so erstaunlich. Ich hatte die Nacht zuvor sehr schlecht geschlafen. Ich hatte mich den ganzen Tag im Freien aufgehalten. Die Sorgen und die Anstrengung, mich zur Ausführung des von mir gefassten Entschlusses durchzuringen, hatten mich erschöpft. Dazu kam noch die drückende Gewitterluft. Und vielleicht trug sogar mein krampfhafter Versuch, wach zu bleiben, mit zu meiner Schläfrigkeit bei.
    Jedenfalls passierte es. Ich schlief in meinem Sessel ein, und als ich erwachte, zwitscherten draußen die Vögel, die Sonne stand am Himmel, und ich lag zusammengekrümmt und unbequem in meinem Abendanzug im Sessel und hatte einen hässlichen Geschmack im Mund und scheußliche Kopfschmerzen.
    Ich war verwirrt, ungläubig, angeekelt und schließlich unsagbar erleichtert.
    Wer sagte doch so richtig: »Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf…«
    Ich sah auf einmal deutlich, wie überreizt und verbohrt ich gewesen war, pathetisch und ohne Maß! Ich hatte tatsächlich die Absicht gehabt, einen Menschen umzubringen.
    In diesem Augenblick bemerkte ich das Whiskyglas. Schaudernd erhob ich mich, zog die Vorhänge zurück und schüttete den Inhalt aus dem Fenster. Ich musste gestern Abend wahnsinnig gewesen sein!
    Ich nahm ein Bad, rasierte mich und zog mich an. Danach fühlte ich mich sehr viel besser und ging hinüber zu Poirot. Ich wusste, dass er immer sehr früh aufwachte. Ich setzte mich zu ihm und schüttete ihm mein Herz aus.
    Es war eine große Erleichterung.
    Er schüttelte nur den Kopf. »Was für Dummheiten Sie sich ausdenken! Ich bin froh, dass Sie mir Ihre Sünden gebeichtet haben. Aber, mein lieber Freund, weshalb sind Sie nicht schon gestern Abend mit allen Ihren Sorgen zu mir

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