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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gewesen«, antwortete Poirot freundlich. »Ich stand nicht unter Eid.«
    »Dann haben Sie gelogen?«
    Poirot winkte lässig ab. »Was ich gesagt habe, mon ami, das habe ich gesagt. Es ist unnütz, weiter darüber zu diskutieren.«
    »Ich verstehe Sie einfach nicht!«, rief ich.
    »Was verstehen Sie nicht?«
    »Ihre Aussage – all das, was Sie über Mrs Franklins Depressionen und Selbstmordandrohungen gesagt haben.«
    »Enfin, Sie haben sie doch selbst gehört!«
    »Ja, aber es war nur eine ihrer vielen Launen. Das haben Sie nicht deutlich zum Ausdruck gebracht.«
    »Vielleicht tat ich es absichtlich nicht.«
    Ich starrte ihn verblüfft an. »Der Spruch der Geschworenen sollte also auf Selbstmord lauten?«
    Poirot schwieg eine Weile, ehe er antwortete. »Ich glaube, Hastings«, erwiderte er schließlich, »dass Sie den Ernst der Situation verkennen. Aber wenn Sie so wollen – ich hatte es darauf angelegt.«
    »Sie persönlich glauben nicht an Selbstmord?«
    Poirot schüttelte bedächtig den Kopf.
    »Sie glauben – dass sie ermordet wurde?«
    »Ja, Hastings, sie ist ermordet worden!«
    »Warum sollte man dann versuchen, das zu vertuschen und es als Selbstmord hinzustellen? Das verhindert doch alle weiteren Nachforschungen.«
    »Genau.«
    »Und das wollen Sie?«
    »Ja.«
    »Aber warum?«
    »Ist es wirklich möglich, dass Sie nicht begreifen? Na ja, macht nichts – lassen wir’s dabei. Sie müssen mir abnehmen, dass es Mord war – vorsätzlicher Mord. Ich habe vorausgesagt, Hastings, dass hier ein Verbrechen geschehen würde und wir es wahrscheinlich nicht verhindern könnten – denn der Mörder ist skrupellos und zu allem entschlossen.«
    Ich schauderte. »Und was jetzt?«, fragte ich.
    Poirot lächelte. »Der Fall ist gelöst – und als Selbstmord zu den Akten gelegt worden. Aber Sie und ich, Hastings, wir werden im Untergrund weiterarbeiten, wie die Maulwürfe. Und früher oder später fassen wir X.«
    »Und wenn inzwischen noch jemand ermordet wird?«, fragte ich.
    Poirot schüttelte den Kopf. »Das nehme ich nicht an. Es sei denn, jemand hat etwas beobachtet oder weiß etwas, aber dann hätte er sich doch sicherlich gemeldet, um es uns mitzuteilen…«

15
     
    M eine Erinnerung an die ersten Tage nach der gerichtlichen Untersuchung von Mrs Franklins Tod ist ein wenig verschwommen. Da war natürlich das Begräbnis, an dem eine große Anzahl Neugieriger aus Styles St. Mary teilnahm.
    Bei dieser Gelegenheit sprach mich eine unangenehme, triefäugige Alte an.
    Sie trat auf mich zu, als wir den Friedhof verließen.
    »Ich kenne Sie doch, oder?«
    »Nun – äh – ich weiß nicht – «
    Sie redete weiter, ohne auf meine Worte zu achten. »Es ist über zwanzig Jahre her, dass die alte Dame auf dem Gut gestorben ist. Das war der erste Mord, den wir hier in Styles hatten. Wird nicht der Letzte sein, habe ich gesagt. Bei der alten Mrs Inglethorp war es ihr Mann, der sie auf dem Gewissen hatte. Das wussten wir ganz genau.« Sie sah mich lauernd an. »Vielleicht ist es diesmal auch der Ehemann!«
    »Was wollen Sie damit andeuten?«, fragte ich scharf. »Haben Sie nicht gehört, dass der Spruch auf Selbstmord lautete?«
    »Das ist die Meinung des Untersuchungsrichters. Aber er könnte sich irren, glauben Sie nicht?« Sie stieß mich mit dem Ellbogen an. »Ärzte wissen, wie sie ihre Frauen loswerden können. Wie man hört, hatte er an ihr nicht viel Gutes.«
    Ich sah sie wütend an, worauf sie davonschlich und murmelte, sie habe gar nichts andeuten wollen, es sei nur komisch, nicht wahr, dass so etwas zum zweiten Mal passiere. »Und es ist auch komisch, dass Sie beide Male anwesend waren, oder nicht?«
    Einen schwindelerregenden Augenblick lang fragte ich mich, ob sie wirklich argwöhnte, dass ich die beiden Verbrechen begangen hatte. Es war äußerst verwirrend. Mir wurde jedenfalls klar, was für ekelhafte Verdächtigungen in so einem Dorf ausgebrütet werden können. Und so abwegig waren sie schließlich nicht. Denn irgendjemand ha t te Mrs Franklin umgebracht.
    Wie ich schon sagte, habe ich sehr wenig Erinnerungen an diese Tage. Poirots Gesundheit machte mir große Sorgen. Curtiss kam verwirrt zu mir und berichtete, dass Poirot einen schweren Herzanfall gehabt habe.
    »Ich glaube, er braucht einen Arzt, Sir.«
    Ich begab mich sofort zu Poirot, der den Vorschlag energisch zurückwies. Das sah ihm gar nicht ähnlich, fand ich. Er war, was seine Gesundheit anbetraf, sonst eher übervorsichtig. Er hütete sich vor

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