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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Zugluft, schützte seinen Hals mit seidenen und wollenen Schals, fürchtete sich vor nassen Füßen und maß beim geringsten Anzeichen einer Erkältung seine Temperatur und zog sich dann sofort ins Bett zurück.
    »Sonst ziehe ich mir eine fluxion de poitrine zu!« Wie ich ihn kannte, hatte er bisher schon bei Kleinigkeiten einen Arzt kommen lassen.
    Jetzt, da er ernsthaft krank war, schien es gerade umgekehrt zu sein! Vielleicht lag eben da der wirkliche Grund: Seine früheren Krankheiten waren tatsächlich Lappalien gewesen. Nun war er ein wirklich kranker Mann und fürchtete sich möglicherweise, dies zuzugeben. Er bagatellisierte seine Krankheit, weil er Angst hatte.
    Er reagierte auf meine Vorhaltungen energisch und bitter. »Oh, ich habe Ärzte aufgesucht. Nicht nur einen, sondern viele! Ich war bei B. und D. – er nannte zwei Spezialisten –, und was haben sie gemacht? Sie haben mich nach Ägypten geschickt, wo es mir sofort schlechter ging. Ich war auch bei R. – «
    R. war, wie ich wusste, ein Herzspezialist. »Was hat er gesagt?«, fragte ich rasch.
    Poirot warf mir einen schnellen Blick zu, der mein Herz einen Moment lang stocken ließ.
    »Er hat getan, was für mich getan werden konnte«, sagte er ruhig. »Ich habe die richtige Behandlung und die richtige Medizin. Darüber hinaus – gibt es nichts. Sie sehen also, Hastings, es hätte keinen Sinn, noch mehr Ärzte zu holen. Die Maschine, mon ami, hat sich abgenutzt. Man kann leider nicht wie beim Auto einen neuen Motor einsetzen und einfach weitermachen.«
    »Aber hören Sie, Poirot, es lässt sich bestimmt etwas tun. Curtiss – «
    »Curtiss?«, fragte Poirot scharf.
    »Ja, er kam zu mir. Er war besorgt. Sie hatten einen Anfall – «
    Poirot nickte freundlich. »Ja, ja. Solche Anfälle sind für den Beobachter schwer zu ertragen. Ich glaube, Curtiss ist so was nicht gewöhnt.«
    »Wollen Sie wirklich keinen Arzt kommen lassen?«
    »Es hat keinen Sinn, mein Freund!«
    Sein Ton war freundlich, aber sehr bestimmt. Und wieder fühlte ich, wie sich mein Herz schmerzlich zusammenzog. Poirot lächelte mich an. »Dieser Fall wird mein letzter sein, Hastings«, meinte er. »Es wird zugleich mein interessantester sein – und auch mein interessantester Verbrecher. Denn X bedient sich einer überlegenen Technik, die trotz allem bewunderungswürdig ist. Bisher, mon cher, hat dieser X mit einem solchen Können gearbeitet, dass er mich, Hercule Poirot, geschlagen hat! Er hat eine Strategie entwickelt, auf die ich keine Antwort weiß.«
    »Wenn Sie gesund wären…«, wollte ich trösten.
    Doch anscheinend waren das nicht die richtigen Worte, denn Hercule Poirot fuhr mich wütend an: »Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass es keiner körperlichen Anstre n gungen bedarf? Man muss nur – denken.«
    »Ja – natürlich – das können Sie gut!«
    »Gut? Überragend, meinen Sie wohl! Meine Glieder sind gelähmt, mein Herz spielt mir Streiche, aber mein Gehirn, Hastings, mein Gehirn funktioniert ohne jede Beeinträchtigung! Mein Gehirn ist noch immer erstklassig!«
    »Das ist großartig«, sagte ich beschwichtigend.
    Doch als ich langsam hinunterging, dachte ich bei mir, dass Poirots Gehirn nicht mehr so wie früher mit den Ereignissen Schritt halten konnte. Zuerst war Mrs Luttrell nur knapp mit dem Leben davongekommen und jetzt der Tod von Mrs Franklin. Und was taten wir dagegen? Praktisch nichts.
    Am nächsten Tag sagte Poirot zu mir: »Sie haben doch vorgeschlagen, Hastings, einen Arzt zu holen.«
    »Ja«, erwiderte ich eifrig, »das würde mich sehr beruhigen.«
    »Eh bien, ich bin einverstanden. Ich möchte, dass Franklin kommt.«
    »Franklin?«, fragte ich zweifelnd.
    »Ja, er ist doch Arzt, oder etwa nicht?«
    »Schon, aber er arbeitet vor allem in der Forschung.«
    »Gewiss. Als praktischer Arzt wäre er wohl wenig erfolgreich. Er hat nicht die richtige Art, mit Patienten umzugehen. Dafür besitzt er andere Qualitäten. Er versteht sein Handwerk wahrscheinlich besser als die meisten.«
    Ich war noch nicht ganz überzeugt. Obwohl ich Franklins Fähigkeiten nicht bezweifelte, hatte ich immer gefunden, dass er für menschliche Gebrechen keine Geduld und kein Interesse aufbrachte – bei Forschern wahrscheinlich die richtige Einstellung, doch kranken Menschen war damit weniger gedient.
    Für Poirot allerdings war es schon ein großes Zugeständnis, so weit nachgegeben zu haben, und da er keinen ortsansässigen Arzt hatte, erklärte sich Franklin bereit, nach ihm

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