Vorhofflimmern
etwas
übersehen.“
Er lächelte und der Ausdruck in seinen Augen brachte mein
Herz dazu einen kleinen Hüpfer zu machen. „Wir sind ein gutes Team.“
Ich bemühte mich um Gleichgültigkeit, zuckte mit den Achseln
und eilte schnell in den Gipsraum, bevor das Herzhüpfen zu einer ausgewachsenen
Rhythmusstörung mutierte.
Vielleicht sollte ich lieber die Kollegen der kardiologischen
Abteilung aufsuchen, denn irgendetwas konnte doch da nicht stimmen, wenn sich
mein Herz durch ein kleines Lächeln so dermaßen aus der Ruhe bringen ließ.
Oder?
Nachdem Tanja von ihrer aufgebrachten
Mutter abgeholt worden war, machte ich meinen allnächtlichen Rundgang durch die
Notaufnahme. Ich kontrollierte jeden Raum auf Ordnung, Vollständigkeit und
eventuell vergessene Patienten, sortierte die Zeitschriften im Warteraum und
löschte in den meisten Zimmern das Licht. Nacht ist Nacht, das sollte man auch
in einer Ambulanz erkennen.
Obwohl ich mir extra viel Zeit ließ und absichtlich
herumtrödelte, wusste ich genau, dass Desiderio immer noch in der Küche saß.
Was sollte das? Warum ging er nicht in seinen
Bereitschaftsbunker und ließ mich endlich alleine?
Und was sollte ich jetzt eigentlich machen?
Ich konnte nicht die ganze Nacht über durch die Notaufnahme
irren. Naja, ich wollte nicht die ganze Nacht durch die Notaufnahme
irren! Ich hatte genauso ein Anrecht darauf, mich in die Küche zu setzen.
Moment mal! Eigentlich hatte nur ich das Anrecht darauf! Das war die
Schwesternküche und nicht die Ärzteküche!
Verärgert trippelte ich den Gang auf und ab.
Warum hatte ich eigentlich solche Angst vor Desiderio? Hatte
ich Angst vor ihm selbst, oder vor dieser pathologischen Reaktion meines
Körpers auf ihn?
Unbewusst war ich immer näher an die Küchentür
herangeschlichen und marschierte nun direkt davor hin und her.
Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Was lief
verkehrt mit dem Schönling?
Deutlich hörte ich, dass der Fernseher lief. Wahrscheinlich
saß er wieder entspannt auf einem Stuhl, hatte die Arme über dem Kopf erhoben
und zeigte seinen unverschämt hübschen Bauch, während ich mich hier draußen zum
Affen machte und kurz vorm durchdrehen war.
Verflucht!
Nervös knetete ich meine Finger und überlegte, wie ich jetzt
am besten Vorgehen sollte.
Sollte ich hineingehen, ihm eine reinhauen und ihn
anschließend bei den Haaren aus der Küche schleifen?
„Warum kommst du nicht herein und setzt dich zu mir?“,
erklang plötzlich Desiderios Stimme.
Ich erstarrte. Konnte er etwa Gedanken lesen, oder was?
Blödsinn. Er hatte mich natürlich die ganze Zeit über gehört, was das Ganze nur
noch peinlicher machte.
Und jetzt?
Gott, warum stellte ich mich denn so an!
Weil es nur noch peinlicher gewesen wäre, jetzt den Rückzug
anzutreten, baute ich mich grimmig im Türrahmen auf.
„Warum gehst du nicht einfach ins Bett?“, blaffte ich
ungehalten.
Desiderio saß tatsächlich völlig entspannt am Tisch und hatte
sogar seine Beine auf einen zweiten Stuhl gelegt. Er würdigte mich keines
Blickes und sah stattdessen konzentriert auf den Fernseher. „Ich bin nicht
müde“, erwiderte er ruhig.
Meine Finger zuckten. Ich stand nach wie vor herum und
glotzte finster drein.
Nach einer Weile fügte Desiderio noch hinzu: „Außerdem kommt
ein guter Film, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich glaube, der
gefällt dir auch.“
„Ha! Was siehst du dir an? Schwarzwaldklinik? Nein, Danke.“
„Hm, eigentlich habe ich Kill Bill gemeint“, sagte er
gelassen. „Aber wenn du lieber was anderes sehen willst...“
Seine Hand wanderte zur Fernbedienung. Ich folgte stumm
seiner langsamen Bewegung. Kurz bevor seine Finger sich darum schlossen, gab
ich mir einen Ruck. „Warte!“
Seine Hand verharrte über dem schwarzen Kästchen.
„Teil 1 oder 2?“
„Der erste Teil.“
Cool, den hatte ich schon ewig nicht mehr gesehen. Ich
haderte noch einen Moment mit mir selbst. Schließlich überwog meine Liebe zu
Tarantino-Filmen.
„Na schön“, räumte ich ein, „aber bitte lass uns einfach nur
den Film ansehen, okay?“
Desiderio legte seine Hand zurück in den Schoß. „Klar.“ Ich
betrat langsam die Küche und setzte mich auf den Stuhl, der am weitesten von
ihm entfernt war. „Obwohl ich nicht weiß, was du damit meinst.“
Arg! Sofort bereute ich meine Entscheidung und war bereits
kurz davor die Flucht zu ergreifen. Er drehte seinen Kopf zu mir und lachte
mich fröhlich an.
„Sorry!
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