Vorhofflimmern
ich bejahen, aber das wäre dann doch eine
Lüge gewesen. Eingebildet wirkte Desiderio wirklich nicht. Eher zu sehr von
sich selbst überzeugt, und das sagte ich dann auch.
Diese Erklärung schien ihm zu gefallen. „Naja, damit kann ich
leben.“
Wir wurden unterbrochen, als zwei Sanitäter lautstark einen
Patienten auf einer Liege in die Notaufnahme fuhren. Ich war froh darum, denn
ich wusste sowieso nicht mehr, was ich zu Desiderios Selbstbewusstsein noch
hätte sagen können.
Die Sanitäter übergaben uns ein
kleines Häufchen Elend in Form eines 17jährigen Mädchens, gekleidet in Hotpants
und Spagetthitop. Eine denkbar schlechte Kleidung, um mit 40km/h mit dem Roller
über eine Teerstraße zu schlittern. Dementsprechend lädiert sah das Mädel, ich
nenne sie mal Tanja, auch aus.
Ihr Körper bestand mehr oder weniger aus einer einzigen
Schürfwunde und ich kann nur bestätigen, dass solche Verletzungen genauso schmerzhaft
waren, wie sie aussahen. Das arme Ding hatte sogar eine üble Schürfung quer
über die rechte Brust, bis hin zur Brustwarze – Autsch!
Das ganze wurde für Tanja noch schlimmer, als Desiderio zu
ihr trat. Man merkte ihr sofort an, dass sie angesichts des hübschen jungen
Mannes mehr als peinlich berührt über ihr Auftreten war. Eigentlich wirkte sie
regelrecht verzweifelt, während sie unbeholfen versuchte ihr von
Schmerzenstränen verwischtes Augenmakeup zu retten. Dass es dabei nichts mehr
zu retten gab, weil sich die Wimperntusche bereits über ihr gesamtes Gesicht
verteilte, sagte ich ihr lieber nicht.
Ich reinigte und verband alle sichtbaren Wunden, während
Desiderio Tanja zu dem Unfallhergang befragte. Sie erklärte mit unterdrücktem
Schluchzen, dass sie gerade auf dem Weg nach Hause war, als ihr ein älterer
Herr mit seinem Mercedes auf der Hauptstraße die Vorfahrt genommen hatte. Sie
war gerade noch ausgewichen, konnte aber ihren Motorroller nicht mehr
kontrollieren und es kam zum Sturz. Wenigstens hatte sie trotz der Sommerhitze
nicht auf ihren Helm verzichtet.
Desiderio hörte geduldig zu und begann schließlich damit das
Mädchen zu untersuchen. Allem Anschein nach hatte sie Glück im Unglück gehabt,
denn bis auf ein schmerzendes Handgelenk (und grob geschätzte 30% Verlust der
oberen Hautschicht) gab sie keine Verletzungen an. DiCastello orderte eine
Röntgenaufnahme und ich brachte Tanja, die mit meinen gesamten Verbänden
mittlerweile aussah wie eine Mumie, in die entsprechende Abteilung.
Kurze Zeit später standen wir drei im Sprechzimmer und
betrachteten gemeinsam die Bilder.
„Du hast dir das Handgelenk gebrochen“, erklärte Desiderio
schließlich fachlich. „Allerdings ist das ganze halb so wild. Es ist nichts
verschoben und muss daher auch nicht operiert werden. Du bekommst für maximal
vier Wochen eine Schiene und danach bist du wieder topfit.“ Er wandte sich zu
mir. „Dorsale Unterarmschiene, bitte.“
Ich nickte schweigend und sah noch einmal auf das Bild.
„Komm mit, Tanja. Ich bring dich in den Gipsraum“, sagte ich dann
zu der Mumie und führte sie aus dem Sprechzimmer.
Gleich darauf kehrte ich alleine zurück und schloss
sorgfältig die Tür hinter mir. Desiderio sah fragend vom Unfallbericht auf.
„Brauchst du noch was?“
Ich wiegte den Kopf und tippte auf eine kleine Stelle von
Tanjas Röntgenbild. „Sieh mal, das könnte auch noch eine kleine Fraktur sein.
Hier, am Kahnbein.“
Desiderio betrachtete aufmerksam das kleine Fleckchen, auf
das mein Finger zeigte. Er nickte langsam. „Könnte sein“, räumte er ein.
„Ich würde gerne eine Schiene mit Daumeneinschluß machen.
Vielleicht sollte man in ein paar Tagen ein CT machen“, meinte ich freundlich,
aber bestimmt. Ein wenig gespannt wartete ich auf seine Reaktion.
Er wirkte nicht im Mindesten gekränkt oder beleidigt, was ich
ihm sehr zu Gute hielt. Nicht viele Ärzte, vor allem nicht die Neulinge,
konnten damit umgehen, wenn ihnen eine Krankenschwester einen Therapievorschlag
machte oder sie gar auf einen Fehler hinwies.
Desiderio sah mich hingegen eher anerkennend an. „Ja, so machen
wir das. Sehr gut, Lena. Und danke.“
Ich winkte ab und wandte mich bereits zum Gehen. „Ach, wofür
denn?“
„Hauptsächlich für den Umstand, dass du so umsichtig warst,
mich nicht vor der Patientin auf meinen Fehler hinzuweisen.“
„Das war kein Fehler. Man sieht schließlich nichts Eindeutiges
und es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Außerdem kann jeder Mal
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