Vorhofflimmern
Werkzeug auf ihn. „Vorsicht,
ich bin bewaffnet!“
Schnell hob er beschwichtigend seine Arme. „Bitte nicht!“
„Na schön, es sei dir verziehen“, sagte ich großzügig. „Wann
kommt eigentlich die neue Schrankwand?“
„Am Donnerstag.“
„Hm, da hab ich Nachtschicht. Ich kann dir erst am Wochenende
beim Aufbau helfen.“
„Kein Problem. Wie wäre es am Samstagnachmittag?“
„Passt.“ Ich wischte mir eine Haarsträhne aus der Stirn und
seufzte. „Außerdem schuldest du mir mindestens ein drei Gänge Menü, damit ich
mich von diesen Strapazen hier erholen kann.“
Am nächsten Tag trat ich pflichtbewusst
zu Nachtdienst Nummer 1 von 3 an.
Ich hasste diese Schicht.
An den Tagen, an denen ich zu dieser unmenschlichen Zeit
arbeiten musste, existierte ich quasi für mein Umfeld nicht. Ich krabbelte nach
dem Dienst in mein Bett, geisterte immer wieder in meiner Wohnung umher und schleppte
mich abends erneut zum Dienst. Das war mein Leben während meiner Nachtschicht.
Egal wie lange ich schlief, ich war immer müde und ausgepowert. Wahrscheinlich
lag es zu einem großen Teil auch an meiner inneren Einstellung, aber das war
egal.
Ich hasste Nachtschicht. Punkt.
Zu den Nächten unserer Notaufnahme sollte man noch folgendes
erklären: In einer Notaufnahme kann man nur effektiv arbeiten, wenn sich
Notfälle darin einfinden. In Niederbayern verfolgten die meisten Menschen den
Grundsatz, nachts friedlich in ihren Betten zu schlummern, was die Befüllung
des Warteraums grundlegend beeinflusste. Man konnte durchaus behaupten, dass es
des Nächtens manchmal ziemlich langweilig werden konnte.
Natürlich gab es auch ganz andere Dienste. Zumeist wenn
Vollmond war oder am Wochenende wenn Partys gefeiert wurden. Oder wenn im
schlimmsten Falle beides zusammentraf. Dann konnte man sich darauf einstellen,
dass schubweise das pure Chaos in der Ambulanz entstand.
Da man das Arbeitsaufkommen nie vorher wissen konnte, musste
die Nachtschwester für alle Eventualitäten gerüstet sein.
In meinem Fall bedeutete dies einen ganzen Korb voll mit
Wohnungszeitschriften, einem Möbelkatalog und dem Grundriss von Franks Wohnung.
Zudem verfügte unsere Schwesternküche praktischerweise noch über einen kleinen
Fernseher und Internetzugang, was mich schon in so manchem Dienst vor dem
Einschlafen bewahrt hatte.
Ich schleppte also meinen Korb durch die Ambulanz,
registrierte, dass sämtliche Behandlungszimmer leer waren und kam schließlich
in der Küche an.
Dort erwarteten mich Lisa, Sandra und zu meinem Leidwesen –
Desiderio.
Oh Nein! Machte der etwa schon seinen ersten Nachtdienst?
Ganz alleine?
Mit MIR?
Obwohl die diensthabenden Chirurgen über ein
Bereitschaftszimmer verfügten, in dem sie sich nachts aufs Ohr hauen durften,
schwante mir bei Desiderios breitem Grinsen nicht Gutes.
Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er höchsterfreut war
mich zu sehen und er wohl nicht vorhatte, sich baldigst in sein stilles Kämmerchen
zu verziehen. Vor allem würde er mir vorher noch die ein oder andere Frechheit
ins Ohr flüstern, soviel war klar.
Verdammter Mist!
Eigentlich wäre ich angesichts der bevorstehenden Stunden am
liebsten geflohen, doch ich mahnte mich selbst zu Coolness.
Warum sollte ich mich vor diesem Charmebolzen bitte fürchten?
Nix da, von so einem Schönling ließ ich mich bestimmt nicht
aus der Ruhe bringen!
Ich legte einen nichtssagenden Ausdruck auf und hievte meine
Beschäftigungsunterlagen auf den Tisch. „Hallo zusammen!“
„Ablösung ist die beste Lösung“, sagte Sandra weise und lugte
ungeniert in meinen Korb. „Renovierst du?“
„Sozusagen. Ich bin quasi als Innenarchitektin bei einem
Freund engagiert“, erklärte ich, während ich meine beachtliche Essensration im
Kühlschrank verstaute. Beachtlich deswegen, weil es nichts Schlimmeres gab, als
mitten in der Nacht Hunger zu haben, wenn keinerlei Nahrung in Sicht war.
„Ach, ich bin derzeit auch am renovieren“, mischte Desiderio
sich ungefragt ein. „Eine Innenarchitektin könnte ich auch gut gebrauchen.“
„So ein Pech, derzeit nehme ich keine weiteren Aufträge mehr
an“, sagte ich schnell und musterte ihn abschätzig. „Lassen sie dich etwa schon
alleine auf die Notfälle los, oder was?“
Mein patziger Ton ließ Sandra überrascht zwischen dem Arzt
und mir hin und her blicken. Oh je, ich musste mich unbedingt zusammenreißen,
damit ich ihre Neugier nicht erweckte. Meine Lieblingskollegin war nämlich eine
der
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