Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
»Hm. Das hier sieht gut aus. Startet nach Escobar binnen einer Stunde. Wissen Sie, ob der Pilot schon an Bord ist?«
»Dieser Frachter ist nicht für Passagiere zugelassen.«
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»Das geht schon in Ordnung. Ich möchte nur mit dem
Piloten sprechen Persönlich. Und privat. Können Sie ihn für mich erwischen?«
»Ich versuch's mal.« Sie hatte Erfolg. »Sie treffen ihn in Andockbucht 27 Aber Sie müssen sich beeilen.«
»Danke. Hm … wissen Sie, die Journalisten haben mir das
Leben schwer gemacht. Sie scheuen vor nichts zurück. Da sind zwei, die sogar so weit gegangen sind, sich Uniformen der Expeditionsstreitkräfte anzuziehen, und jetzt versuchen, damit zu mir durchzukommen. Nennen sich Captain Mehta und Kommodore Tailor. Eine wirkliche Plage. Wenn einer von ihnen auftaucht und hier herumschnüffelt, könnten Sie dann vielleicht vergessen, dass Sie mich gesehen haben?«
»Aber sicher, Captain Naismith.«
»Nennen Sie mich Cordelia, Sie sind prima! Danke!«
Der Pilot war sehr jung und machte seine ersten Erfahrungen mit Frachtern, bevor er die größere Verantwortung für Passagierschiffe übernehmen konnte. Er erkannte sie auch und bat sie prompt um ein Autogramm.
»Ich nehme an, Sie fragen sich, warum Sie ausgewählt
wurden«, begann sie, während sie ihre Unterschrift für ihn schrieb, ohne die leiseste Idee, in welche Richtung sie sich bewegen sollte. Er sah aus wie jemand, der in seinem ganzen Leben noch nie einen Wettbewerb gewonnen hatte.
»Ich, Madame?«
»Glauben Sie mir, die Leute von der Sicherheit haben Ihr
ganzes Leben durchleuchtet. Sie sind vertrauenswürdig. Das sind Sie wirklich. Wirklich vertrauenswürdig.«
»Ach – die können doch die Sache mit dem Cordolithen
nicht herausgefunden haben!« Bestürzung kämpfte in seinem
Gesicht mit der Reaktion auf ihre Schmeichelei.
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»Und auch einfallsreich«, sagte Cordelia aufs Geratewohl
und fragte sich dabei, was wohl ein Cordolith sei. Sie hatte nie davon gehört. »Genau der Mann für diese Mission.«
»Welche Mission?!«
»Pst, nicht so laut. Ich bin auf einer geheimen Mission für den Präsidenten. Persönlich. So geheim, dass nicht einmal das Kriegsministerium etwas darüber weiß. Das hätte schlimme politische Folgen, wenn es je herauskäme. Ich habe eine Botschaft an den Kaiser von Barrayar, ein geheimes Ultimatum. Aber niemand darf wissen, dass ich Kolonie Beta verlassen habe.«
»Soll ich Sie dorthin bringen?«, fragte er verblüfft. »Meine Fracht geht…«
Ich glaube, ich könnte diesen Knaben dazu überreden, mich
auf Kosten seines Arbeitgebers bis nach Barrayar zu bringen, dachte sie. Aber das wäre das Ende seiner Karriere. Ihr Gewissen hielt den aufkommenden Wunsch in Schach.
»Nein, nein! Ihr Frachtflug muss genau so erscheinen wie
immer. Ich treffe eine geheime Kontaktperson auf Escobar. Sie transportieren einfach ein Frachtstück, das nicht auf der Frachtliste steht. Mich.«
»Ich darf keine Passagiere mitnehmen. Madame.«
»Gütiger Himmel, glauben Sie, wir wissen das nicht? Was
meinen Sie, warum Sie aus all den Kandidaten vom
Präsidenten persönlich ausgewählt wurden?«
»Mann! Und ich habe nicht einmal für ihn gestimmt.«
Er nahm sie an Bord des Frachtshuttles und arrangierte ihr einen Sitz unter denjenigen Frachtstücken, die im letzten Augenblick eingeliefert worden waren. «Sie kennen all die großen Namen im Erkundungsdienst, nicht wahr, Madame?
Lightner, Parnell… Meinen Sie, Sie könnten mich denen
irgendwann mal vorstellen?«
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»Ich weiß nicht, Aber – Sie werden eine Menge der großen
Namen von den Expeditionsstreitkräften und dem
Sicherheitsdienst kennen lernen, wenn Sie von Escobar
zurückkommen. Das verspreche ich.« Wirst du jemals…
»Darf ich Sie etwas Persönliches fragen, Madame?«
»Warum nicht? Alle anderen tun es.«
»Warum tragen Sie Hausschuhe?«
Sie starrte auf ihre Füße. »Tut mir Leid, Pilot Mayhew. Das ist geheim.«
»Oh,« Er ging nach vorn, um das Schiff zu starten.
Endlich allein! Sie lehnte ihre Stirn gegen die kühle, glatte Plastikwand eines Containers und weinte stumm vor sich hin.
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14
Nach Ortszeit war es fast Mittag, als der Leichtflieger, den Cordelia in Vorbarr Sultana gemietet hatte, sie zu dem langen See brachte. Die Ufer des Sees gingen in weinbekränzte Abhänge über; dahinter ragten steile Berge auf, die von Gestrüpp überwuchert waren. Die Gegend war dünn besiedelt, nur am Ende des Sees lag ein Dorf. Ruinen einer alten
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