Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
in der Küche, zum Kaffee. Sie wagte es nicht, den Beginn ihrer Flucht zu riskieren nicht einmal, um nach Stiefeln zu suchen.
Nein. Gott! Tailor stand im Durchgang zur Küche und hob
gerade eine Kaffeetasse an seine Lippen. Sie erstarrte, er hielt in der Bewegung inne, und sie blickten einander an.
Ihre Augen, fühlte Cordelia, mussten so groß sein wie die
eines Nachttieres Nie hatte sie ihre Augen unter Kontrolle.
Tailors Mund zuckte seltsam, während er sie anschaute.
Dann hob er langsam seine Linke und salutierte. Mit der
falschen Hand, aber die andere hielt ja den Kaffee. Er nahm einen Schluck von dem Getränk und blickte unverwandt über den Rand der Tasse.
Cordelia nahm ernst Grundstellung an, salutierte ihrerseits und schlüpfte dann leise zur Apartmenttür hinaus.
Zunächst erschrak sie, als sie im Korridor auf einen
Journalisten und seinen Vidmann stieß; es war einer der
hartnäckigsten und unangenehmsten, und sie hatte ihn gestern 273
aus dem Gebäude geworfen. Sie lächelte ihn an, ganz
schwindelig vor Euphorie, wie ein Fallschirmspringer, der
gerade in die Luft hinaustritt.
»Wollen Sie immer noch das Interview mit mir machen?«
Er sprang auf und nahm den Köder an.
»Jetzt mal ganz langsam. Nicht hier. Ich werde beobachtet, wissen Sie.« Sie dämpfte ihre Stimme verschwörerisch. »Die Regierung vertuscht etwas. Was ich weiß, könnte die Regierung in die Luft jagen. Dinge über die Gefangenen. Sie könnten – sich einen Namen machen.«
»Wo dann?« Er war begierig darauf.
»Wie steht es mit dem Raumhafen? Die Bar dort ist ruhig.
Ich werde Ihnen einen Drink spendieren, und wir können –
unsere Kampagne planen.« Die Zeit tickte in ihrem Gehirn. Sie erwartete, dass jeden Augenblick die Tür zum Apartment ihrer Mutter aufgestoßen würde. »Es ist jedoch gefährlich. Es sind zwei Agenten der Regierung oben im Foyer und zwei in der Garage. Ich müsste an ihnen vorbeikommen, ohne gesehen zu werden. Wenn sie wüssten, dass ich mit Ihnen rede, dann würden Sie wohl keine Chance für ein zweites Interview
bekommen. Keine Gewalttätigkeiten – nur ein bisschen stilles Verschwinden bei Nacht und dann ein Gerücht von wegen zu medizinischen Untersuchungen gebracht«. Wissen Sie, was ich meine?« Sie war sich ziemlich sicher, dass er es nicht wusste –sein Mediendienst beschäftigte sich vor allem mit Sexgeschichten –, aber sie konnte sehen, wie sich auf seinem Gesicht eine Vision von journalistischem Ruhm abzeichnete.
Er drehte sich zu seinem Vidmann um. »Jon, gib ihr deine
Jacke, deinen Hut und dein Holovid.«
Sie steckte ihr Haar unter den breitkrempigen Hut, verbarg ihre Uniform unter der Jacke und schulterte demonstrativ das Vid. Sie nahmen das Liftrohr hinauf zur Garage. An deren Ausgang warteten zwei Männer in blauen Uniformen. Sie
274
platzierte das Vid lässig auf ihrer Schulter und verbarg mit ihrem Arm halb ihr Gesicht, als sie an den Männern vorbei zum Bodenwagen des Journalisten gingen.
An der Bar im Raumhafen bestellte sie Drinks und nahm
selber einen tiefen Schluck. »Ich bin gleich zurück«, versprach sie und ließ ihn mit den unbezahlten Getränken sitzen.
Der nächste Halt war der Ticketcomputer. Sie rief den
Flugplan auf. In den nächsten sechs Stunden startete kein
Passagierschiff nach Escobar. Das dauerte viel zu lange. Der Raumhafen wäre bestimmt der erste Ort, den man durchsuchen würde. Eine Frau in der Uniform des Raumhafens ging vorbei.
Cordelia hielt sie an.
»Verzeihen Sie, könnten Sie mir helfen, etwas über die
Flugpläne privater Frachter herauszufinden, oder über andere private Schiffe, die bald abfliegen?«
Die Frau runzelte die Stirn, dann lächelte sie, als sie sie plötzlich erkannte. »Sie sind Captain Naismith!« Cordelias Herz krampfte sich zusammen und pochte wie verrückt. Nein – ruhig bleiben … »Ja. Hm … die Presse hat mir ziemlich zugesetzt. Ich bin sicher, dass Sie mich verstehen«, Cordelia blickte die Frau an, als würde sie sie damit in einen inneren Kreis von Vertrauten aufnehmen. »Ich will das ganz still einfädeln. Könnten wir vielleicht in ein Büro gehen? Ich weiß, Sie sind nicht wie die anderen. Sie haben einen Respekt vor dem Privatleben anderer Menschen. Das kann ich in Ihrem Gesicht lesen.«
»Können Sie?« Die Frau war geschmeichelt und aufgeregt
zugleich und führte Cordelia weg. In ihrem Büro hatte sie
Zugang zu allen Flugplänen der Raumflugkontrolle, und
Cordelia schaute sie schnell durch.
Weitere Kostenlose Bücher