Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
…
kleinen Kaiser. Freunde dich mit ihr an, wenn du kannst: Sie ist eine ziemlich zurückhaltende Frau. Die Erziehung des Jungen ist außerordentlich wichtig. Wir dürfen nicht Ezar Vorbarras Fehler wiederholen.«
»Ich werde es versuchen«, seufzte sie. »Ich sehe schon, es wird keine leichte Aufgabe sein, als eine Vor von Barrayar zu gelten.«
»Mach es dir nicht zu schwer. Ich möchte dich nicht
eingeengt sehen. Außerdem hat die Sache noch einen anderen Aspekt.«
351
»Das überrascht mich nicht. Los, erzähl!«
Er machte eine Pause, um seine Worte zu wählen. »Als der
verstorbene Kronprinz Serg den Grafen Vortala einen
Scheinprogressiven nannte, so war das nicht völliger Unsinn.
Beschimpfungen, die verletzen, enthalten immer ein Körnchen Wahrheit. Graf Vortala hat sich um die Formierung seiner progressiven Partei nur in den oberen Klassen bemüht, unter den Leuten, auf die es ankommt, wie er sagen würde. Siehst du den kleinen Bruch in seinem Denken?«
»So groß wie der Hogarth-Canyon bei mir zu Hause? Ja.«
»Du bist eine Betanerin, eine Frau von galaktischem Ruf.«
»Na, na!«
»So sieht man dich hier. Ich glaube, du begreifst gar nicht ganz, wie du hier wahrgenommen wirst. Ziemlich schmeichelhaft für mich, wie die Dinge stehen.«
»Am liebsten wäre ich unsichtbar. Aber ich kann mir
eigentlich nicht vorstellen, dass ich allzu populär bin, nach dem, was wir eurer Seite in Escobar zugefügt haben.«
»Das ist unsere Kultur. Mein Volk vergibt einem tapferen
Soldaten fast alles. Und du vereinigst in deiner Person zwei gegnerische Parteien: das aristokratische Militär und die progalaktischen Plebejer. Ich glaube wirklich, ich könnte durch dich die ganze Mitte aus der Volksverteidigungsliga herausziehen wenn du bereit wärest, meine Karten für mich zu spielen.«
»Du lieber Himmel! Seit wann denkst du denn darüber schon
nach?«
»Über das Problem schon lange. Über dich als Teil der
Lösung erst seit heute.«
»Was, willst du mir die Rolle einer Galionsfigur für eine Art konstitutioneller Partei zuteilen?«
352
»Nein, nein. Das ist gerade eines von den Dingen, die zu
verhindern ich bei meiner Ehre schwören werde. Es würde dem Sinn meines Eides widersprechen. Prinz Gregor eine Kaiserwürde zu überreichen, die aller Macht entleert wäre.
Was ich möchte… was ich möchte, ist, einen Weg zu finden,
um die besten Leute, aus allen Klassen, Sprachen und Parteien, in den Dienst des Kaisers zu ziehen. Die Vor haben einfach eine zu geringe Auswahl an Talenten. Ich möchte die Regierung im besten Sinne dem Militär angleichen, wo Begabungen ungeachtet ihrer Herkunft gefördert werden.
Kaiser Ezar hat etwas Ähnliches versucht, als er die
Ministerien auf Kosten der Grafen stärkte, aber das ging zu weit. Die hohen Herren sind bedeutungslos geworden, und die Ministerien sind korrupt. Es muss einen Weg geben, zwischen beiden ein Gleichgewicht herzustellen.«
Cordelia seufzte: »Ich nehme an, wir müssen uns einfach
einigen, dass wir uns nicht einig sind, über Verfassungen.
Niemand hat mich zur Regentin von Barrayar ernannt. Ich
warne dich trotzdem: Ich werde weiterhin versuchen, deine
Meinung zu ändern.«
Bei diesen Worten hob Illyan seine Augenbrauen. Cordelia
lehnte sich zurück und betrachtete durch das Verdeck die
Hauptstadt von Barrayar, Vorbarr Sultana, die draußen
vorüberzog. Sie hatte vor vier Monaten nicht den Regenten von Barrayar geheiratet. Sie hatte einen Soldaten außer Dienst geheiratet. Nun ja, Männer sollten sich ja angeblich nach der Heirat verändern, für gewöhnlich zum Schlechteren, aber – so sehr? So schnell? Das ist nicht die Aufgabe, zu der ich mich verpflichtet habe, Sir.
»Das ist doch eine Geste von beträchtlichem Vertrauen, die Kaiser Ezar dir gestern erwiesen hat, indem er dich zum Regenten ernannte. Ich denke nicht, dass er ein so skrupelloser Pragmatiker ist, wie du mich glauben machen möchtest«, bemerkte sie.
353
»Ja gut, es ist eine Geste des Vertrauens, aber er wurde von der Notwendigkeit dazu getrieben. Du verstehst wohl nicht die Bedeutung der Versetzung von Oberst Negri an den Hof der Prinzessin?«
»Nein. Hatte das eine Bedeutung?«
»0 ja, eine sehr deutliche Botschaft. Negri soll seine alte Aufgabe als Chef der Kaiserlichen Sicherheitspolizei weiterfuhren. Er wird natürlich seine Berichte nicht einem vierjährigen Knaben erstatten, sondern mir. Oberstleutnant Illyan wird tatsächlich nur sein Assistent sein.«
Weitere Kostenlose Bücher