Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
ließ sie den Atem anhalten. Beide Wachen
sprangen auf. Also, du hast einen Knall gehört. Das muss nicht unbedingt etwas mit Aral zutun haben. Und dann der eisige Gedanke: Es klang wie eine Schallgranate. Keine kleine.
Lieber Gott! Da stieg eine Säule von Rauch und Staub aus
einer Straßenschlucht ein paar Häuserblocks weiter, sie konnte deren Ursprung nicht sehen… sie lehnte sich hinaus…
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»Mylady!« Der jüngere der beiden Wächter ergriff ihren
Oberarm. »Bitte gehen Sie hinein.« Sein Gesicht war gespannt, seine Augen geweitet. Der ältere hielt die Hand ans Ohr gepresst, er versuchte Informationen über seinen Kommunikationskanal zu bekommen – sie hatte kein KomLink
dabei.
»Was ist los?«, fragte sie.
»Mylady, bitte gehen Sie nach unten!« Der Wächter drängte
sie zu der Falltür zur Dachstube, von der eine Treppe zum
dritten Stock führte. »Ich bin sicher, das war nichts
Besonderes«, beschwichtigte er, während er sie schob.
»Das war eine Schallgranate Klasse vier, vermutlich mit
einem Luftrohr abgefeuert«, setzte sie seiner beängstigenden Unwissenheit entgegen. »Es sei denn, ein Selbstmörder hat sie geworfen. Haben Sie noch nie eine explodieren hören?«
Droushnakovi kam durch die Falltür geschossen, ein
zerdrücktes Sandwich in der einen Hand und ihren Betäuber in der anderen. »Mylady?« Der Wächter blickte erleichtert drein, schob Cordelia ihr zu und kehrte zu seinem Vorgesetzten zurück. Cordelia, die am liebsten laut geschrien hätte, grinste mit zusammengebissenen Zähnen, ließ sich beschützen und kletterte folgsam durch die Falltür hinab.
»Was ist geschehen?«, zischte sie Droushnakovi zu.
»Ich weiß es noch nicht Das rote Alarmsignal leuchtete im
Erfrischungsraum im Keller auf, und jeder rannte auf seinen Posten«, keuchte Drou. Sie musste sich praktisch die sechs Treppen hinaufteleportiert haben.
Cordelia hastete die Treppen hinab und wünschte sich, es
gäbe hier ein Fallrohr. Die Kommunikationskonsole in der
Bibliothek war sicherlich besetzt – irgendjemand musste ein KomLink haben – sie wirbelte die Wendeltreppe hinunter und flitzte über die schwarzen und weißen Steinfliesen.
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Der Wachkommandant des Hauses war tatsächlich auf
seinem Posten und erteilte Befehle über das Mikrofon. Der
Oberste von Graf Piotrs Livrierten hampelte nervös hinter ihm herum. »Sie kommen direkt hierher«, sagte der Sicherheitsbeamte über die Schulter, »holen Sie den Doktor!«
Der Mann in der braunen Uniform rannte davon.
»Was ist geschehen?«, wollte Cordelia wissen. Ihr Herz
hämmerte in der Brust, und das nicht nur davon, dass sie die Treppe heruntergerannt war.
Der Sicherheitsmann blickte zu ihr auf, setzte an, etwas
Beruhigendes und Bedeutungsloses zu sagen, doch dann
besann er sich anders und sagte: »Jemand hat aus dem
Hinterhalt auf den Bodenwagen des Regenten geschossen.
Daneben. Sie fahren weiter, hierher.«
»Wie nah daneben?«
»Ich weiß es nicht, Mylady.«
Vermutlich wusste er es tatsächlich nicht. Aber wenn der
Bodenwagen noch funktionierte… Mit einer hilflosen Geste
bedeutete sie ihm, sich wieder seiner Arbeit zu widmen, und eilte in das Foyer, wo jetzt einige von Graf Piotrs Männern zusammengelaufen waren, die sie davon abhielten, zu nahe an der Tür zu stehen. Sie nahm drei Stufen, klammerte sich ans Treppengeländer und biss sich auf die Lippe.
»War Leutnant Koudelka bei ihm, was meinen Sie?«, fragte
Droushnakovi zaghaft.
»Vermutlich. Gewöhnlich ist er ja dabei«, antwortete
Cordelia geistesabwesend, den Blick auf die Tür gerichtet, und wartete, wartete…
Sie hörte den Wagen herankommen. Einer von Graf Piotrs
Männern öffnete die Haustür. Sicherheitsleute umschwärmten das silbrige Fahrzeug im Säulengang – Gott, woher waren denn die alle gekommen? Der glänzende Lack des Wagens war verkratzt und zeigte Brandspuren, aber es gab keine tiefen 423
Dellen. Das hintere Verdeck war nicht zerbrochen, das vordere hatte Schrammen abbekommen. Die hinteren Türen schwangen hoch, und Cordelia streckte sich, um einen Blick auf Vorkosigan werfen zu können, doch es war zum
Verrücktwerden: Die grünen Rücken der Sicherheitsleute
nahmen ihr die Sicht. Endlich gingen sie zur Seite. In der Türöffnung saß Leutnant Koudelka und blinzelte benommen, während Blut an seinem Kinn herabtropfte. Ein Wächter half ihm auf die Füße. Schließlich kam Vorkosigan heraus; er ließ sich nicht heben und lehnte Hilfe ab. Selbst
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