Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Überraschungsangriff auf die Hauptstadt, fand Cordelia; ein Artilleriefeuer könnte schon längst im Gange sein, bevor es irgendjemand in dem allgemeinen Lärm merkte. Der Tumult begann bereits im Morgengrauen.
Die Dienst habenden Wachen, die sowieso schon von Natur
aus bei jedem plötzlichen Lärm aufschreckten, waren unruhig und unglücklich, außer ein paar Jüngeren, die versuchten, den Tag durch Abbrennen von ein paar Knallfröschen innerhalb der Mauern zu feiern. Sie wurden vom Wachkommandanten zur Seite genommen und kamen viel später wieder heraus, bleich und kleinlaut, und stahlen sich leise davon. Cordelia sah sie später unter dem Kommando einer bissigen Hausangestellten Müll wegbringen, während ein Küchenmädchen und die zweite Köchin fröhlich aus dem Haus eilten, um einen überraschenden freien Tag zu genießen.
Der Geburtstag des Kaisers war ein beweglicher Feiertag.
Die Begeisterung der Barrayaraner für diesen Feiertag wurde nicht getrübt durch die Tatsache, dass sie ihn, wegen Ezars Tod und Gregors Thronbesteigung, in diesem Jahr schon zum zweiten Mal feierten.
Cordelia
schlug
eine
Einladung zu einer großen
Truppenparade aus, die Arals ganzen Vormittag kostete, um
stattdessen für das Ereignis des Abends frisch zu bleiben – für das Ereignis des Jahres, wie man ihr zu verstehen gab –persönliche Anwesenheit beim Geburtstagsdinner des Kaisers in der Kaiserlichen Residenz. Sie freute sich, Kareen und
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Gregor wiederzusehen, wenn auch nur kurz. Zumindest war sie sicher, dass ihre Kleidung in Ordnung war.
Lady Vorpatril, die über einen ausgezeichneten Geschmack
sowie Erfahrung mit Umstandskleidung im barrayaranischen
Stil verfügte, hatte Mitleid mit Cordelia in deren kultureller Verwirrung gehabt und sich als fachkundige einheimische Beraterin angeboten.
Als Ergebnis trug Cordelia ein tadellos geschnittenes
waldgrünes Seidenkleid, das mit einem Übergewand aus
dickem, elfenbeinfarbenem Samt von der Schulter bis zum
Boden wirbelte. Echte Blumen in passenden Farben waren von einer echten menschlichen Friseuse, die auch Alys zu ihr geschickt hatte, in ihrem kupferfarbenen Haar arrangiert. Wie bei ihren öffentlichen Veranstaltungen machten die Barrayaraner aus ihrer Kleidung eine Art Volkskunst, die so kompliziert war wie eine betanische Körperbemalung. Über Arals Meinung war sich Cordelia nicht sicher – sein Gesicht hellte sich immer auf, wenn er sie sah –, aber nach den entzückten ›0ohs‹ von Graf Piotrs weiblichem Personal zu urteilen, hatte Cordelias Schneiderteam sich selbst übertroffen.
Als sie in der vorderen Halle am Fuß der Wendeltreppe
wartete, glättete sie verstohlen den Streifen grüner Seide über ihrem Unterleib. Etwas mehr als drei Monate erhöhter Stoffwechselaktivität, und alles, was sie vorweisen konnte, war diese Schwellung von der Größe einer Grapefruit – seit der Sommermitte hatte sich so viel ereignet, dass es ihr schien, ihre Schwangerschaft müsste schneller vorankommen, um mit allem Schritt zu halten. Sie summte ein mentales Mantra in Richtung auf ihren Unterleib: Wachse, wachse, wachse…
Wenigstens begann sie jetzt schon tatsächlich schwanger
auszusehen, anstatt sich nur erschöpft zu fühlen. Aral teilte ihre nächtliche Faszination über ihren Fortschritt, indem er sanft mit gespreizten Fingern nach zarten Bewegungen unter ihrer Haut fühlte – bis jetzt noch ohne Erfolg.
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Gerade erschien Aral mit Leutnant Koudelka. Sie hatten sich beide gründlich gebadet, rasiert, die Haare geschnitten und gekämmt, und jetzt funkelten sie in ihren formellen, rotblauen kaiserlichen Paradeuniformen. Graf Piotr schloss sich ihnen an; er trug die Uniform, in der Cordelia ihn bei den Sitzungen der Vereinigten Räte gesehen hatte: braun und silbern, eine prächtigere Version der Livree seiner Garde. Piotrs zwanzig Gefolgsmänner hatten an diesem Abend alle eine Art offizieller Funktion und waren schon die ganze Woche über von ihrem hektischen Kommandanten zu peinlich genauen Vorbereitungen angetrieben worden. Droushnakovi, die Cordelia begleitete, trug ein einfacheres Kleid in Cordelias Farben, dessen sorgfältiger Schnitt rasche Bewegungen erleichterte und Waffen sowie KomLinks verbarg.
Nachdem jeder jeden gebührend bewundert hatte, begaben
sie sich durch die Vordertüren zu den wartenden Bodenwagen.
Aral half Cordelia persönlich in ihr Fahrzeug, dann trat er zurück: »Ich treffe dich dann dort, Liebste.«
»Was?« Ihr Kopf
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