Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
wie es Cordelia einmal zuvor gesehen hatte, ein Zeichen von innerer Erschütterung. Vorrutyer, dessen ganze Aufmerksamkeit Cordelia galt, achtete nicht auf die Bewegungen hinter ihm. So war für ihn der Moment äußerster Überraschung sehr kurz, als der Sergeant ihn an seinem lockigen Haar packte, seinen Kopf zurückriss und das
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juwelenbesetzte Messer ganz fachmännisch um seinen Hals
zog, wobei er alle vier Hauptblutgefäße in einer flinken
Doppelbewegung durchschnitt. Das Blut spritzte in einer
Fontäne über Cordelia, entsetzlich warm, wie eine heiße
Quelle.
Vorrutyer machte eine krampfhafte Drehung und verlor das
Bewusstsein, als der Blutdruck in seinem Gehirn abfiel.
Sergeant Bothari ließ das Haar los und Vorrutyer fiel zwischen ihre Beine und rutschte langsam über das Fußende des Bettes hinab.
Der Sergeant stand schwerfällig und schwer atmend am
Ende des Bettes. Cordelia konnte sich nicht erinnern, ob sie geschrien hatte. Das spielte wohl keine Rolle, höchstwahrscheinlich achtete sowieso niemand sonderlich auf Schreie, die aus diesem Raum kamen. Sie fühlte sich erstarrt und blutleer in den Händen, im Gesicht, in den Füßen. Ihr Herz pochte wild.
Sie räusperte sich. »Uff, danke, Sergeant Bothari. Das war eine sehr… an… ritterliche Tat. Könnten Sie mich vielleicht auch losschnallen?« Ihre Stimme quietschte unwillkürlich, und sie schluckte irritiert.
Cordelia betrachtete Bothari mit entsetzter Faszination. Es gab absolut keine Möglichkeit vorauszusagen, was er als Nächstes tun mochte. Unter gemurmelten Selbstgesprächen, mit einem Ausdruck von Verwirrung auf dem Gesicht, öffnete er fummelnd die Schnalle an ihrem linken Handgelenk, Flink und steif zugleich rollte sie auf die andere Seite und machte das rechte Handgelenk frei, dann setzte sie sich auf und befreite die Füße. Sie saß einen Moment lang mit überkreuzten Beinen in der Mitte des Bettes, splitternackt und triefend vor Blut, rieb ihre Fuß- und Handgelenke und versuchte, ihr vor Schreck gelähmtes Gehirn wieder zum Arbeiten zu zwingen.
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»Kleider, Kleider«, murmelte sie vor sich hin. Sie sah über das Fußende des Bettes auf die zusammengesunkene Gestalt des vormaligen Admirals Vorrutyer mit den Hosen um die Knöchel und seinem letzten Ausdruck von Überraschung auf
dem erstarrten Gesicht. Die großen braunen Augen hatten ihren feuchten Glanz verloren und begannen sich zu trüben.
Sie schlüpfte seitwärts aus dem Bett, weg von Bothari, und begann die metallenen Schubladen und Schränke, die den Raum säumten, hektisch zu durchsuchen. Ein paar Schubladen enthielten seine Spielzeugsammlung, und sie schloss sie hastig wieder. Angeekelt verstand sie jetzt endlich, was er mit seinen letzten Worten gemeint hatte. Der Geschmack des Mannes an Perversionen hatte sicherlich ein bemerkenswertes Ausmaß gehabt. Ein paar Uniformen, alle mit zu vielen gelben Abzeichen. Schließlich fand sie eine gewöhnliche schwarze
Arbeitsuniform. Sie wischte mit einem weichen Morgenmantel das Blut von ihrem Körper und zog die Uniform über.
Sergeant Bothari hatte sich mittlerweile auf den Boden
gesetzt, zusammengekrümmt, den Kopf auf den Knien, und
sprach leise vor sich hin. Sie kniete sich neben ihn. Begann er zu halluzinieren? Sie musste ihn auf die Beine bringen, aus diesem Raum heraus. Sie konnten nicht darauf zählen, noch viel länger unentdeckt zu bleiben. Aber wo konnten sie sich verbergen? Oder war es das Adrenalin, das sie zur Flucht aufforderte, und nicht die Vernunft? Gab es eine bessere Möglichkeit?
Während sie noch zögerte, wurde plötzlich die Tür
aufgerissen. Sie schrie zum ersten Mal auf. Aber der Mann, der mit bleichem Gesicht in der Öffnung stand, mit dem Plasmabogen in der Hand, war Vorkosigan.
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Sie seufzte bebend, als sie ihn erblickte, und in einem langen Atemzug entwich die lähmende Panik. »Mein Gott, Sie haben mir fast einen Herzschlag verpasst«, brachte sie leise und gepresst hervor. »Kommen Sie herein und machen Sie die Tür zu.«
Seine Lippen formten lautlos ihren Namen, und er trat ein, mit plötzlicher Panik im Gesicht, die fast ihrer eigenen gleichkam. Dann sah sie, dass ihm ein weiterer Offizier folgte, ein Leutnant mit braunem Haar und einem sanften Welpengesicht. Deshalb warf sie sich nicht auf Vorkosigan und weinte sich nicht an seiner Schulter aus, wie sie es sich eigentlich leidenschaftlich wünschte, sondern sagte stattdessen vorsichtig: »Es hat einen Unfall
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