Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
der bis zum Krieg von allen neuen Waffen im betanischen Arsenal am strengsten bewacht gewesen war. Ihr Fuß klopfte nervös auf den Boden. Sie hielt inne. »Mein Brief.« Mein Herz, auf Papier – Papier wickelt Stein… Sie sprach mit kühler Stimme: »Und was haben Sie aus meinem Brief erfahren, Bill?«
»Nun, das ist ein Problem. Wir haben unsere besten
Kryptografen und unsere modernsten Computerprogramme fast
volle zwei Tage darauf angesetzt und ihn bis zur
Molekularstruktur des Papiers analysiert. Offen gesagt«, er blickte ziemlich gereizt auf Mehta, »bin ich nicht überzeugt, dass man irgendetwas gefunden hat.«
Nein, dachte Cordelia, ihr würdet nichts finden. Das
Geheimnis war in dem Kuss. Nicht greifbar für eine
Molekularanalyse. Sie seufzte deprimiert. »Haben Sie ihn
weitergeschickt, nachdem Sie damit fertig waren?«
»Nun ja – ich fürchte, da war dann nicht mehr viel davon
übrig.«
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Schere schneidet Papier… »Ich bin keine Agentin. Ich gebe
Ihnen mein Wort.«
Mehta blickte wachsam auf.
»Ich finde es selbst schwer, zu glauben«, sagte Tailor.
Cordelia versuchte, seinen Blick festzuhalten, er schaute
jedoch weg. Du glaubst es doch, dachte sie. »Was geschieht, wenn ich die Einweisung ablehne?«
»Dann muss ich Ihnen als Ihr vorgesetzter Offizier die
Einweisung befehlen.«
Ich werd' den Teufel tun – nein, ruhig! Ich muss ruhig
bleiben, sie weiter reden lassen, vielleicht kann ich durch Reden einen Ausweg finden. »Sogar, wenn das gegen Ihre persönliche Einsicht geht?«
»Das ist eine ernste Sicherheitsangelegenheit. Ich fürchte, das lässt kein persönliches Ermessen zu.«
»Ach, kommen Sie. Sogar von Oberst Negri weiß man, dass
er persönlichem Ermessen folgt.«
Jetzt hatte sie etwas Falsches gesagt. In dem Zimmer schien plötzlich die Temperatur zu sinken.
»Wieso wissen Sie etwas von Oberst Negri?«, fragte Tailor
eisig.
»Jedermann weiß von Oberst Negri.« Beide starrten sie an.
»Ach, k-kom-men Sie! Wenn ich eine Agentin von Negri wäre, dann würden Sie es nie erfahren. So unfähig ist er nicht!«
»Im Gegenteil«, sagte Mehta in schneidigem Ton, »wir
denken, er ist so gut, dass Sie es nie wissen würden.«
»Unfug!«, sagte Cordelia entrüstet. »Wie kommen Sie denn
darauf?«
Mehta antwortete nüchtern: »Meine Hypothese ist, dass Sie
von diesem ziemlich unheilvollen und rätselhaften Admiral
Vorkosigan gesteuert werden – vielleicht unbewusst. Dass Ihre Programmierung während Ihrer ersten Gefangenschaft
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begonnen und vermutlich während des vergangenen Krieges
abgeschlossen wurde. Sie waren ausersehen als die Stütze eines neuen barrayaranischen Spionagenetzwerks hier, um das zu ersetzen, das gerade ausgehoben worden war. Als Maulwurf vielleicht, der hier platziert wurde und jahrelang nicht aktiviert werden sollte, bis zu einem kritischen Augenblick…«
»Unheilvoll?«, unterbrach Cordelia. »Rätselhaft? Aral? Dass ich nicht lache.« Ich könnte weinen…
»Er ist offensichtlich Ihr Führungsoffizier«, sagte Mehta
selbstgefällig, »Sie sind anscheinend darauf programmiert
worden, ihm bedingungslos zu gehorchen.«
Beschränkt, unbelehrbar und ehrgeizig – die idealen
Voraussetzungen für die Paranoia von Geheimdienstleuten –
und Psychologen. Diese Frau ist ein Kotzbrocken. Sie hätte ihr die Zähne eintreten sollen!
»Ich bin kein Computer«, sagte sie heftig. Bum, bum, machte ihr Fuß. »Und Aral ist die einzige Person, die mich nie zu etwas gezwungen hat. Eine Frage der Ehre, glaube ich.«
»Sehen Sie?«, sagte Mehta zu Tailor; sie lächelte
triumphierend, schaute Cordelia aber nicht an. »Alle Beweise deuten in eine Richtung.«
»Nur, wenn Sie auf Ihrem K-Kopf stehen!«, schrie Cordelia
wütend. Sie blickte Tailor zornig an. »Diesen Befehl muss ich nicht akzeptieren. Ich kann meinen Dienst quittieren.«
»Wir brauchen Ihre Einwilligung nicht«, sagte Mehta ruhig,
»selbst wenn Sie Zivilistin sind. Falls Ihr nächster Verwandter zustimmt.«
»Meine Mutter würde mir dies nie antun!«
»Wir haben das schon ausführlich mit ihr besprochen. Sie ist sehr um Sie besorgt.«
»Ich v-verstehe.« Cordelia sank abrupt zusammen und
blickte zur Tür »Ich habe mich schon gefragt, warum dieser 267
Kaffee so lange braucht Schlechtes Gewissen, wie?« Sie
summte leise den Fetzen einer Melodie, dann brach sie ab. »Ihr habt wirklich eure Hausaufgaben gemacht. Alle Ausgänge besetzt.«
Tailor bemühte sich um ein Lächeln und
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