Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
wieder klar.
Cordelia lag auf der Couch, kam wieder zu Atem und
zitterte. So nahe… – sie war so nahe gewesen, ihn zu verraten
– und dies war erst die erste Sitzung. Allmählich begann sie sich kühler und klarer zu fühlen.
Sie setzte sich auf und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
»Das war ein schmutziger Trick«, stellte sie mit ausdrucksloser Stimme fest
Mehtas dünnes Lächeln verbarg wie eine Plastikfolie ihre
tiefe Erregung. »Na ja, ein bisschen schon. Aber es war eine enorm produktive Sitzung. Viel mehr, als ich je erwartet hätte.«
Darauf möchte ich wetten, dachte Cordelia. Sie haben meine Vorstellung genossen, nicht wahr? Mehta kniete auf dem Boden und hob die Trümmer des Aufnahmegerätes auf.
»Tut mir Leid für Ihr Gerät. Ich weiß nicht, was über mich kam. Habe ich Ihre Ergebnisse – vernichtet?«
»Ja, Sie hätten einfach einschlafen sollen. Seltsam. Und
nein«, mit einem gewissen Triumph zog sie eine Datenkassette aus dem Wrack und legte sie vorsichtig auf den Tisch. »Sie müssen das nicht noch einmal durchmachen. Es ist damit okay.
Sehr gut.«
»Was halten Sie davon?«, fragte Cordelia.
Mehta betrachtete sie mit professioneller Faszination. »Ihr Fall ist zweifellos die größte Herausforderung, mit der ich je zu 260
tun hatte. Aber dies sollte Sie von jedem noch vorhandenen Zweifel darüber befreien, ob die Barrayaraner… hm… Ihr Denken gewaltsam verändert haben. Ihre Anzeigen gingen praktisch über alle Skalen hinaus.« Sie nickte überzeugt.
»Wissen Sie«, sagte Cordelia, »ich bin nicht verrückt nach Ihren Methoden.
Ich habe – eine besondere Abneigung dagegen, gegen
meinen Willen unter Drogen gesetzt zu werden. Ich dachte, so etwas wäre illegal.«
»Aber manchmal notwendig. Die Daten sind viel sauberer,
wenn der Proband nichts von der Beobachtung merkt. Man
betrachtet es als ausreichend ethisch, wenn die Erlaubnis post festum erlangt wird.«
»Post festum? Wenn also ohnehin alles vorbei ist, oder
wie?«, flüsterte Cordelia. Angst und Wut wickelten um ihr
Rückgrat eine Doppelhelix, die sich immer enger und enger
zusammenzog. Sie bemühte sich, ihr Lächeln beizubehalten
und nicht in ein Knurren zu verfallen. »Das ist ein juristischer Begriff, an den ich nie gedacht hätte. Er klingt – fast barrayaranisch. Ich möchte nicht, dass Sie sich weiter mit meinem Fall befassen«, fügte sie abrupt hinzu.
Mehta machte sich eine Notiz und blickte lächelnd auf.
»Das ist keine emotionale Aussage«, betonte Cordelia. »Das ist eine rechtliche Forderung. Ich lehne jede weitere Behandlung durch Sie ab.«
Mehta nickte verständnisvoll. War die Frau taub?
»Enormer Fortschritt«, sagte Mehta glücklich. »Ich hätte
nicht erwartet, schon in der ersten Woche die Aversionsabwehr aufzudecken.«
»Was?«
»Sie haben doch nicht etwa erwartet, dass die Barrayaraner so viel Arbeit in Sie investieren, ohne darum herum eine
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Abwehr einzupflanzen? Natürlich haben Sie feindselige
Gefühle. Sie müssen sich nur daran erinnern, dass dies nicht Ihre eigenen Gefühle sind. Morgen werden wir daran arbeiten.«
»O nein, werden wir nicht!« Die Muskeln an Cordelias
Kopfhaut waren gespannt wie Draht. Sie hatte wilde
Kopfschmerzen. »Sie sind gefeuert!«
Mehta blickte erwartungsvoll drein. »Oh, ausgezeichnet!«
»Haben Sie mir überhaupt zugehört?«, wollte Cordelia
wissen. Woher ist nur dieses kreischende Winseln in meiner Stimme gekommen? Ruhig bleiben, ruhig bleiben…
»Captain Naismith, ich erinnere Sie daran, dass wir keine
Zivilisten sind. Ich habe mit Ihnen keine gewöhnliche Arzt-Patienten-Beziehung; wir unterstehen beide der militärischen Disziplin und verfolgen, wie ich Grund zu glauben habe, ein militärisches… – ach, lassen wir's. Es soll genügen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie mich nicht engagiert haben und mich somit nicht feuern können. Also dann, bis morgen.«
Cordelia blieb noch stundenlang sitzen, nachdem Mehta
gegangen war, starrte die Wand an und schlug mit ihren Beinen geistesabwesend gegen die Seite der Couch, bis ihre Mutter mit dem Abendessen nach Hause kam. Am nächsten Tag verließ sie das Apartment früh am Morgen zu einer ziellosen Tour durch die Stadt und kehrte erst spät in der Nacht heim.
In dieser Nacht setzte sie sich in ihrer Erschöpfung und
Einsamkeit hin, um ihren ersten Brief an Vorkosigan zu
schreiben. Ihren ersten Versuch warf sie halb fertig weg, als ihr einfiel, dass seine Post vermutlich von anderen
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