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Vorkosigan 07 Cetaganda

Vorkosigan 07 Cetaganda

Titel: Vorkosigan 07 Cetaganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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nahmen alle wieder ihre Sitze ein, immer noch in diesem bemerkenswerten Schweigen.
    Die Präsentation der elegischen Gedichte zu Ehren der verstorbenen Haud Lisbet Degtiar begann mit den Oberhäuptern der rangniedrigsten Konstellationen, die zugegen waren.
    Jedes Gedicht mußte einem bestimmten von einem halben Dutzend korrekter formeller Typen entsprechen, und alle waren gnädigerweise kurz. Miles war höchst beeindruckt von der Eleganz, Schönheit und der anscheinend tiefen Empfindung der etwa ersten zehn Darbietungen. Die Rezitation mußte eine jener großen formalen Feuerproben sein, wie etwa eine Eidesleistung oder eine Eheschließung, bei denen die Vorbereitungen bei weitem länger dauerten als der eigentliche Vollzug. Große Sorgfalt legte man auf Bewegung, Stimme und kaum wahrnehmbare Variationen der für Miles' Auge identischen weißen Festkleider. Doch allmählich begann Miles stereotype Ausdrücke zu erkennen, Wiederholungen von Ideen; als der dreißigste Dichter rezitierte, wurden seine Augen allmählich glasig. Mehr als je zuvor wünschte er sich, Ivan wäre an seiner Seite und litt mit ihm mit.
    Gelegentlich gab Maz flüsternd eine Interpretation oder einen Kommentar und half damit die herankriechende Schläfrigkeit abzuwehren - Miles hatte in der vergangenen Nacht nicht gut geschlafen. Die Satrapie-Gouverneure wirkten alle wie Männer, die man ausgestopft und in natürlicher Haltung; präpariert hatte, abgesehen von dem uralten Gouverneur von My Ceta, der sich in offener Langeweile zusammensacken ließ und durch sarkastisch zusammengekniffene Augen beobachtete, wie die Jüngeren, das heißt: alle anderen hier Anwesenden, mit unterschiedlichen Mengen von Angstschweiß ihre Darbietungen absolvierten. Die älteren und erfahreneren Männer boten, als sie drankamen, wenigstens bessere Rezitationen, wenn auch nicht notwendig bessere Gedichte.
    Miles meditierte über den Charakter von Lord X und versuchte ihn mit einem der acht Gesichter in Einklang zu bringen, die da vor ihm aufgereiht waren. Der Mörder/Verräter hatte etwas von einem taktischen Genie an sich. Ihm hatte sich eine unerwartete Gelegenheit geboten, die Macht zu gewinnen; er hatte schnell alles auf eine Karte gesetzt, einen Plan entwickelt und zugeschlagen. Wie schnell? Der erste Satrapie-Gouverneur war erst zehn Tage vor Miles und Ivan persönlich eingetroffen, der letzte erst vier Tage vorher. Yenaro, so hatte das Sicherheitsbüro der Botschaft schließlich berichtet, hatte seine Skulptur in nur zwei Tagen zusammengebaut, aus Teilen, die eine unbekannte Quelle geliefert hatte, und er hatte seine Handlanger rund um die Uhr arbeiten lassen. Ba Lura konnte erst seit dem Tod seiner Herrin vor nicht ganz drei Wochen bestochen worden sein.
    Die alten Haud fanden nichts dabei, Pläne zu schmieden, die Jahrzehnte brauchten, um zu reifen, mit einer Sicherheit, bei der nichts schiefgehen konnte. Man nehme nur das Beispiel der alten Kaiserin selbst. Sie erlebten die Zeit anders als Miles, dessen war er sich ziemlich sicher. Diese ganze Kette von Ereignissen roch nach einem ... jungen Haud. Oder einem, der in seinem Herzen jung geblieben war.
    Miles' Gegenspieler mußte sich im Augenblick in einem interessanten Gemütszustand befinden. Er war ein Mann der Tat und der Entscheidung. Doch nun mußte er ruhig bleiben und durfte nichts tun, was die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hätte, selbst wo es nun mehr und mehr so aussah, als würde Ba Luras Tod nicht - wie geplant - als Selbstmord durchgehen. Er mußte ruhig auf seiner Genbank und dem Großen Schlüssel sitzen, bis die Bestattung vorüber war, und dann sich leise wieder zu seiner Planetenbasis begeben - weil er die Revolte nicht von hier aus beginnen konnte; er hatte vor seinem Aufbruch zu Hause keine Vorbereitungen getroffen.
    Würde er also den Großen Schlüssel weiterschicken oder bei sich behalten? Wenn er ihn schon an seine Satrapie weitergeschickt hatte, dann saß Miles tief in der Klemme. Na ja, noch tiefer in der Klemme. Würde der Gouverneur es riskieren, die mächtigen Insignien auf dem Transport zu verlieren? Ganz gewiß nicht.
    Die leiernden Amateurdichter steckten Miles an. Er merkte, daß sein Unterbewußtsein nicht mit dem übrigen Denken zusammenarbeitete, wie es eigentlich hätte sein sollen, sondern auf eigene Wege abschweifte. Ein eigenes Gedicht zu Ehren der verstorbenen Kaiserin entstand ungebeten in seinem Hirn.
    Eine Kaiserinwitwe namens Lisbet
    war zu 'nem Satrapenlord riesig

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