Vorkosigan 09 Waffenbrüder
Planeten mit neun Milliarden Bewohnern«, sagte
Ivan, »muß es von allem wenigstens sechs Exemplare geben.
Beruhige dich!« Er zögerte. »Weißt du, heute habe ich dich zum erstenmal dieses Wort benutzen hören.«
38
»Welches Wort?«
»Buckliger. Das bist du ja in Wirklichkeit nicht, weißt du.« Ivan musterte ihn mit freundlicher Besorgnis.
Miles ballte die Fäuste und öffnete sie wieder mit einer scharfen, wegwerfenden Geste. »Auf jeden Fall, die Cetagandaner. Wenn sie ein Pendant zu dir haben, der das tut, was auch du tust …«
Ivan nickte. »Dem bin ich schon begegnet. Er heißt
Ghem-Leutnant Tabor.«
»Dann wissen sie, daß die Dendarii hier sind, und sie wissen auch, daß Admiral Naismith gesehen wurde. Wahrscheinlich haben sie eine Liste mit jedem Kaufauftrag, den wir durch das Datennetz geschickt haben, oder sie werden sie bald genug haben, wenn sie ihre Aufmerksamkeit darauf richten. Sie sind hinter mir her.«
»Sie sind hinter dir her, aber sie können Befehle von weiter oben nicht schneller bekommen als wir«, sagte Ivan logisch. »Und auf jeden Fall gibt es bei ihnen einen Personalmangel. Unser Sicherheitspersonal ist viermal so zahlreich wie das ihre, wegen der Komarraner. Ich will sagen, hier mögen wir zwar auf der Erde sein, aber es handelt sich doch um eine weniger wichtige Botschaft, bei ihnen noch mehr als bei uns. Keine Angst«, er richtete sich auf seinem Stuhl auf und legte die Hand beteuernd auf die Brust, »dein Cousin Ivan wird dich beschützen.«
»Das ist sehr beruhigend«, murmelte Miles.
Ivan grinste über den Sarkasmus seines Cousins und wandte
sich wieder seiner Arbeit zu.
In dem stillen Raum, wo nichts geschah, zog sich der Tag unendlich lang dahin. Miles entdeckte, daß seine Klaustrophobie viel stärker war als gewöhnlich. Er lauschte Ivans Belehrungen und ging zwischendurch von Wand zu Wand hin und her.
»Du könntest das doppelt so schnell schaffen, weißt du«, bemerkte Miles, während sich Ivan mit seinen Daten abplagte.
»Aber dann wäre ich ja schon gleich nach dem Mittagessen
fertig«, sagte Ivan, »und dann hätte ich gar nichts mehr zu tun.«
39
»Bestimmt würde Galeni etwas für dich finden.«
»Das befürchte ich ja«, sagte Ivan. »Der Feierabend kommt
früh genug. Dann gehen wir zu einer Party.«
»Nein, dann gehst du zu einer Party. Ich gehe in mein Zimmer, wie befohlen. Vielleicht kann ich endlich etwas Schlaf nachholen.«
»Genau, denk positiv«, sagte Ivan. »Ich kann mit dir im Gymnastikraum der Botschaft üben, wenn du möchtest. Du siehst nicht sonderlich gut aus, weißt du. Bleich und … hm … bleich.«
Alt, dachte Miles, ist das Wort, das er gerade vermieden hat. Er betrachtete die verzerrte Spiegelung seines Gesichts auf dem bißchen Chromverkleidung der Konsole. Was, ist es so schlimm ?
»Körperliche Bewegung wird dir guttun«, sagte Ivan und
schlug sich auf die Brust.
»Ganz bestimmt«, murmelte Miles.
Die Tage nahmen schnell einen festen Rhythmus an. Miles
wurde von Ivan in ihrem gemeinsamen Zimmer geweckt, dann
absolvierte er seine Übungen im Gymnastikraum, duschte, frühstückte und ging in den Datenraum zu seiner Arbeit. Er begann sich zu fragen, ob er das schöne Sonnenlicht der Erde jemals wieder sehen würde. Nach drei Tagen übernahm Miles den Job des Computerfütterns von Ivan und begann schon um Mittag damit
fertig zu sein, damit er wenigstens die späteren Stunden zum Lesen und Lernen übrig hätte. Er verschlang die Dienstvorschriften der Botschaft und des Sicherheitsdienstes, die Geschichte der Erde, die Nachrichten aus der Galaxis. Am späten Nachmittag rackerten sie sich bei einem zweiten zermürbenden Training im Gymnastikraum ab. Wenn Ivan am Abend zu Hause blieb, schaute sich Miles mit ihm zusammen Vid-Dramen an; wenn Ivan ausging,
dann bevorzugte Miles Reisebeschreibungen von all den interessanten Orten, die er nicht besuchen durfte.
Elli berichtete täglich über den gesicherten Kommunikatorkanal vom Zustand der Dendarii-Flotte, die sich immer noch im Orbit befand. Wenn Miles sich mit dem Kommunikator
40
einschloß, dann merkte er, daß sein Hunger nach dieser Stimme von draußen täglich zunahm. Ihre Berichte waren knapp und
prägnant. Aber danach gingen sie immer in belangloses Geplauder über, da es Miles immer schwerer fiel, das Gespräch zu beenden und sie es ihrerseits nie beendete. Miles malte sich in Phantasien aus, wie er in seiner echten Identität ihr den Hof machte – würde eine
Weitere Kostenlose Bücher