Vorkosigan 09 Waffenbrüder
merken – bis zum nächsten Atemzug.« Er unterdrückte einen Anflug von
Heimweh und eine wildere Angst – wenn ich es diesmal nicht zurück nach Hause schaffe…
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Galeni lächelte höflich, doch ungläubig. »Es ist schwer sich vorzustellen, wie der große Admiral Schmeicheleien seiner Gemahlin nachgibt.«
Miles zuckte die Achseln. »Er gibt der Logik nach. Meine
Mutter gehört zu den wenigen Leuten, die ich kenne und die den Willen zur Dummheit fast vollkommen besiegt haben.« Miles
runzelte die Stirn und dachte nach. »Ihr Vater ist ein ziemlich intelligenter Mann, nicht wahr? Ich meine, unter seinen Voraussetzungen. Er ist dem Sicherheitsdienst durchs Netz gegangen, er hat eine zumindest zeitweilig effektive Aktion auf die Beine gestellt, er zieht einen Plan bis zum Ende durch, er ist sicherlich ausdauernd …«
»Ja, vermutlich«, sagte Galeni.
»Hm.«
»Was?«
»Nun … an dem ganzen Komplott ist etwas, das mich beunruhigt.«
»Eine Menge, sollte man meinen.«
»Nicht persönlich. Logisch. Abstrakt gesehen. An dem Plan,
dem Plan an sich, ist etwas, das nicht ganz zusammenpaßt, selbst vom Standpunkt Ihres Vaters aus gesehen. Natürlich mußten sie überraschend damit loslegen – sie mußten eine Gelegenheit ausnutzen, es ist immer so, wenn man versucht, einen Plan in die Tat umzusetzen – aber über die praktischen Probleme hinaus ist etwas an sich schon verrückt.«
»Der Plan ist wagemutig. Aber wenn er Erfolg hat, dann bekommt er alles. Wenn Ihr Klon die Kaiserherrschaft übernimmt, dann steht mein Vater im Zentrum der Machtstruktur von Barrayar.
Er wird alles kontrollieren. Absolute Macht.«
»Quatsch«, sagte Miles.
Galeni zog die Brauen hoch.
»Die Tatsache, daß Barrayars System der gegenseitigen Kontrolle nicht niedergeschrieben ist, bedeutet noch nicht, daß es nicht 198
existiert. Man muß wissen, daß die Macht des Kaisers aus nichts anderem besteht, als aus der Kooperation, zu der er das Militär, die Grafen, die Ministerien, das Volk allgemein bewegen kann.
Schreckliche Dinge passieren den Kaisern, denen es nicht gelingt, ihre Funktion zur Zufriedenheit all dieser Gruppen zu erfüllen. Die Zerstückelung Kaiser Yuris des Wahnsinnigen ist noch nicht so lange her. Mein Vater war tatsächlich bei dieser bemerkenswert blutigen Hinrichtung dabei, als Junge. Und doch wundern sich die Leute immer noch, warum er nie versucht hat, die Kaiserherrschaft für sich selbst zu beanspruchen!
Wir haben hier also die Szene, wie diese Nachahmung von mir in einem blutigen Staatsstreich nach der Macht greift, gefolgt von einer schnellen Übertragung von Macht und Privilegien an Komarr, vielleicht sogar der Gewährung von Komarrs Unabhängigkeit.
Was sind sie die Ergebnisse?«
»Machen Sie weiter«, sagte Galeni fasziniert.
»Das Militär wird beleidigt sein, weil ich dessen schwer errungene Siege wegwerfe. Die Grafen werden beleidigt sein, weil ich mich über sie gestellt habe. Die Ministerien werden beleidigt sein, denn der Verlust von Komarr als Steuerquelle und Handelsknotenpunkt wird ihre Macht reduzieren. Die Leute werden aus allen drei Gründen beleidigt sein, außerdem noch deshalb, weil ich in ihren Augen ein Mutant bin, physisch unrein nach der Tradition von Barrayar. Kindermord wegen offensichtlicher Geburtsfehler kommt insgeheim immer noch in den abgelegenen Gegenden vor, obwohl das schon seit vier Jahrzehnten verboten ist.
Wußten Sie das? Wenn Sie sich ein Schicksal vorstellen können, das noch häßlicher ist, als bei lebendigem Leibe zerstückelt zu werden, nun, dieser arme Klon steuert geradewegs darauf zu. Ich bin mir nicht sicher, ob selbst ich das Kaiserreich beherrschen und überleben könnte, auch ohne die Komplikationen mit Komarr.
Und dieser Knabe ist erst – was – siebzehn, achtzehn Jahre alt?«
Miles sank zusammen. »Es ist ein dummer Plan. Oder …«
»Oder?«
»Oder es ist ein ganz anderer Plan.«
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»Hm.«
»Außerdem«, sagte Miles etwas langsamer, »warum sollte Ser
Galen, der, wenn ich ihn recht verstehe, meinen Vater mehr haßt, als er irgend jemanden liebt, sich all die Mühe machen, einen Vorkosigan auf den Kaiserthron von Barrayar zu setzen? Das ist eine äußerst obskure Rache. Und wenn er durch irgendein Wunder Erfolg hat und dem Jungen die Kaisermacht verschafft, wie stellt er es sich dann vor, ihn zu steuern?«
»Konditionierung?«, schlug Galeni vor. »Mit der Drohung, ihn zu demaskieren?«
»Mm, vielleicht.« An diesem toten Punkt
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