Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit
brachte achtzehn mit.
Die Anzeichen von Ordnung und Aktivität in der Umgebung
lockte die Neugierigen an – einer, der am Rand der Gruppe vorbeiwanderte, hatte nur zu fragen: »Was ist hier eigentlich los?«, da wurde er schon eingegliedert und auf der Stelle zum Korporal beförderte. Das Interesse unter den Zuschauern wuchs zu einem Fieber an, als Olivers Truppe zur Grenze der Frauen aufmarschierte – und hineingelassen wurde! Auf der Stelle bekamen sie weitere fünfundsiebzig Freiwillige.
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»Wissen Sie, was hier vor sich geht?«, fragte Miles einen von ihnen, als er sie durch den kurzen Spießrutenlauf einer Untersuchung lotste und dann zu einer der vierzehn Kommandogruppen schickte, die er sich ausgedacht hatte.
»Nein«, gab der Mann zu. Er winkte eifrig in Richtung auf die Mitte der Frauengruppe. »Aber ich möchte dorthin gehen, wo die hingehen …«
Als die Zahl 200 erreicht war, brach Miles weitere Zulassungen ab, aus Rücksicht auf Tris’ zunehmende Nervosität über diese Infiltration ihrer Grenzen, und er verwandelte prompt diese Höflichkeit in eine Trumpfkarte in ihrer noch laufenden Strategiedebatte. Tris wollte ihre Gruppe auf die übliche Weise aufteilen: ein Hälfte für den Angriff, die andere zur Verteidigung der Heimatbasis und zur Aufrechterhaltung der Grenzen. Miles bestand auf einem totalen Einsatz.
»Wenn wir gewinnen, dann brauchen Sie keine Wachen mehr.«
»Was ist, wenn wir verlieren?«
Miles dämpfte seine Stimme. »Wir dürfen es nicht wagen zu
verlieren. Dies ist das einzige Mal, wo wir die Überraschung auf unserer Seite haben. Ja, wir können zurückfallen – uns neu gruppieren – noch einmal versuchen – ich zum Beispiel bin darauf vorbereitet – nein, gezwungen – immer wieder zu versuchen, bis es mich umbringt. Aber danach wird das, was wir zu tun versuchen, allen Gegengruppen völlig offensichtlich sein, und sie werden Zeit haben, eine eigene Gegenstrategie zu entwerfen. Ich habe eine besondere Abneigung gegen Pattsituationen. Ich ziehe es vor, Kriege zu gewinnen, als sie zu verlängern.«
Sie seufzte. Einen Augenblick lang wirkte sie erschöpft, müde, alt. »Ich habe viel Zeit im Krieg zugebracht, wissen Sie das? Nach einer Weile kann es sogar wünschenswerter erscheinen, einen Krieg zu verlieren, als ihn zu verlängern.«
Miles spürte, wie seine eigene Entschlossenheit nachließ und in den Strudel dieses gleichen dunklen Zweifels gesaugt wurde. Er 282
zeigte nach oben und verfiel ihn ein heiseres Flüstern: »Aber gewiß nicht gegenüber diesen Mistkerlen verlieren.«
Sie blickte nach oben. Ihre Schultern strafften sich. »Nein. Nicht denen gegenüber …« Sie holte tief Luft. »In Ordnung, Hochwürden. Sie bekommen Ihren totalen Einsatz. Nur einmal …«
Oliver kehrte von einem Rundgang zu den Kommandogruppen
zurück und hockte sich neben sie. »Sie haben ihre Befehle bekommen. Wie viele trägt Tris zu jeder Gruppe bei?«
»Kommandantin Tris«, korrigierte Miles schnell, als sie die Stirn runzelte. »Es wird ein Unternehmen mit totalem Einsatz. Sie werden alle bekommen, die hier laufen können.«
Oliver rechnete schnell im Staub, mit seinem Finger als
Schreibgriffel. »Da kommen etwa fünfzig auf jede Gruppe – das sollte eigentlich reichen … übrigens, was halten Sie davon, wenn wir zwanzig Gruppen aufstellen? Das wird die Verteilung beschleunigen, wenn wir die Reihen aufstellen. Das könnte der Unterschied sein, der den Erfolg bringt.«
»Nein«, fiel Miles schnell ein, als Tris ansetzte, zustimmend zu nicken. »Es müssen vierzehn sein. Vierzehn Kampfgruppen machen vierzehn Reihen für vierzehn Stapel. Vierzehn ist – ist eine theologisch bedeutsame Zahl«, fügte er hinzu, als sie ihn zweifelnd anblickten.
»Warum?«, fragte Tris.
»Nach den vierzehn Aposteln«, säuselte Miles und faltete fromm seine Hände.
Tris zuckte die Achseln. Suegar kratzte sich am Kopf und setzte an zu sprechen – doch Miles durchbohrte ihn mit einem drohenden Blick, und er blieb stumm.
Oliver musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Was?«
Aber er erhob keinen Einspruch.
Dann kam das Warten. Miles hörte auf, sich mit seiner größten Befürchtung herumzuquälen – daß ihre Wärter den nächsten Es283
sensstapel zu früh hereinbringen würden, bevor seine Pläne fertig waren – und begann sich mit seiner zweitgrößten Befürchtung herumzuquälen, nämlich daß der Essensstapel, so spät käme, daß er die Kontrolle über seine Truppen verlieren
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