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Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Titel: Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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gegeben, dieses Wissen zu leugnen, deshalb haben Sie sich so übermäßig auf Lern konzentriert. Solange Sie sich sicher waren, daß Lern es gewesen ist, brauchten Sie nicht über die anderen Möglichkeiten nachzudenken.«
    »Aber für wen wäre es sonst wichtig?«, schrie Harra. »Wer
    würde sich sonst Gedanken darüber machen?«
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    »Wer, in der Tat?«, seufzte Miles. Er ging zum Vorderfenster und blickte in den Hof hinab. Der Nebel verflog im vollen Morgenlicht. Die Pferde bewegten sich unruhig hin und her. »Dr. Dea, würden Sie bitte eine zweite Dosis Schnell-Penta bereitmachen?«
    Miles wandte sich um, ging zurück bis zur Feuerstelle. Mit dem Rücken spürte er angenehm die schwache Hitze.
    Dea blickte sich um, das Hypnospray in der Hand, und schien sich zu fragen, wem er es verpassen sollte. »Mylord?« sagte er mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht.
    »Ist es für Sie nicht offensichtlich, Doktor?«, fragte Miles leicht.
    »Nein, Mylord.« Es klang leicht ungehalten.
    »Sie auch nicht, Pym?«
    »Nein … überhaupt nicht, Mylord.« Pyms Blick und die Mündung seines Betäubers richteten sich unsicher auf Harra.
    »Ich vermute, es liegt daran, weil keiner von Ihnen beiden je meinem Großvater begegnet ist«, meinte Miles. »Er ist ungefähr ein Jahr vor Ihrem Eintritt in den Dienst meines Vaters gestorben, Pym. Er wurde genau am Ende des Zeitalters der Isolation geboren und hat alle Umbrüche miterlebt, die dieses Jahrhundert für Barrayar mit sich brachte. Er wurde ›Der Letzte der alten Vor‹ genannt, aber in Wirklichkeit war er der Erste der Neuen. Er hat sich mit den Zeiten geändert, von der Taktik der Kavallerie zu der der Fliegerschwadronen, von Schwertern zu Atomwaffen, und er hat sich erfolgreich geändert. Daran, daß wir jetzt von der Okkupation durch die Cetagandaner befreit sind, kann man ermessen, wie wildentschlossen er sich anpassen konnte, dann alles abstreifen und sich aufs neue anpassen konnte. Am Ende seines Lebens
    wurde er als Konservativer bezeichnet, und das nur deshalb, weil viel von Barrayar an ihm vorbeigeströmt war in die Richtung, in die er geführt, gestoßen, geschoben und gewiesen hatte, und das ein Leben lang.
    Er hat sich gewandelt und angepaßt und sich dem Wind der
    Zeitläufte gebeugt. Dann wurde er in seinem Alter – denn mein Vater war sein jüngster und einziger überlebender Sohn und hei94
    ratete selbst erst in mittlerem Alter –, also in seinem Alter wurde er mit mir geschlagen. Und er mußte sich wieder ändern. Und er schaffte es nicht.
    Er bettelte meine Mutter an, sie sollte eine Abtreibung machen lassen, nachdem man mehr oder weniger wußte, welche Schädigung der Fötus erfahren hatte. Nach meiner Geburt waren er und meine Eltern fünf Jahre lang einander entfremdet. Sie gingen sich aus dem Weg und redeten oder kommunizierten auch nicht miteinander. Alle dachten, mein Vater sei nach seiner Ernennung zum Regenten mit uns deshalb in die Kaiserliche Residenz umgezogen, weil er es auf den Thron abgesehen hätte, aber der wirkliche Grund war, daß mein Großvater, der Graf, ihm den Gebrauch des Palais Vorkosigan verweigert hatte. Sind Familienstreitigkeiten nicht lustig? In meiner Familie gibt es blutende Geschwüre, die wir einander zugefügt haben.« Miles wanderte zurück zum Fenster und blickte hinaus. Ach ja, da kam …
    »Die Versöhnung geschah schrittweise, als es ganz klar wurde, daß es keinen weiteren Sohn mehr geben würde«, fuhr Miles fort.
    »Keine dramatische Lösung des Knotens. Hilfreich war, daß die Mediziner mich zum Laufen brachten. Es war wesentlich, daß ich mich bei den Tests als heller Kopf erwies. Und am wichtigsten von allem, ich ließ ihn nie erleben, daß ich aufgab.«
    Niemand hatte gewagt, diesen herrschaftlichen Monolog zu
    unterbrechen, aber aus verschiedenen Reaktionen war deutlich zu sehen, daß es ihnen entging, worauf es ihm ankam. Da er dies alles teilweise deshalb erzählte, um die Zeit totzuschlagen, machte es Miles nicht viel aus, daß sie ihm nicht folgen konnten. Von der hölzernen Veranda draußen waren Schritte zu hören. Pym bezog leise Stellung, um ein ungehindertes Schußfeld auf die Tür zu haben.
    »Dr. Dea«, sagte Miles, der zum Fenster hinausschaute, »würden Sie freundlicherweise dieses Schnell-Penta der ersten Person verpassen, die durch die Tür hereinkommt?«
    »Sie warten nicht darauf, daß jemand sich freiwillig dazu bereitfindet, Mylord?«
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    »Diesmal nicht.«
    Die Tür schwang nach innen, und

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