Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Mädchen spazierend wiederfand, und sie lud ihn zum Klettern in den Bergen ein, wie Miles – was dann? Wie unterhaltsam wäre es für sie zu beobachten, wie er sich in all seiner nackten Unfähigkeit halb zu Tode würgte? Hoff390
nungslos, hilflos, glücklos – die bloße Vorwegnahme dieser Qual und Erniedrigung verdunkelte erneut seinen Blick. Seine Schultern sanken zusammen. »Oh, um Gottes willen, lassen Sie mich«, stöhnte er.
Ihre blauen Augen weiteten sich vor Überraschung und Zweifel.
»Pym hat mich gewarnt, daß Sie niedergeschlagen sind … nun, ist schon gut.« Sie zuckte die Achseln und wandte sich um, wobei sie den Kopf zurückwarf.
Ein paar der kleinen rosafarbenen Blüten verloren ihre Verankerung und fielen herab. Mark packte sie krampfhaft. »Warten Sie …!«
Sie drehte sich wieder um. »Was ist?«
»Ein paar von Ihren Blumen sind heruntergefallen.« Er hielt sie ihr mit gewölbten Händen hin, zerquetschte rosa Klümpchen, und versuchte es mit einem Lächeln. Er fürchtete, es wäre genauso gequetscht wie die Blumen.
»Oh.« Sie nahm sie zurück, mit langen, sauberen und ruhigen Fingern und kurzen, nicht geschmückten Nägeln, den Händen einer Frau, die nicht müßig war, starrte auf die Blüten und verdrehte die Augen, als wüßte sie nicht, wie sie sie wieder befestigen sollte. Schließlich stopfte sie sie kurzerhand durch ein paar Locken auf ihrem Scheitel, wo sie jetzt noch unsicherer hingen als zuvor.
Sie begann sich wieder abzuwenden.
Sag etwas, oder du verlierst deine Chance! »Sie tragen Ihr Haar nicht lang wie die anderen«, platzte er heraus. O nein, sie würde jetzt denken, er wolle sie kritisieren …
»Ich habe keine Zeit, damit herumzukaspern.« Unter einem unbewußten Zwang strich sie mit den Fingern über einige Locken und verstreute dadurch noch mehr unglückliche Blumen.
»Was machen Sie denn mit Ihrer Zeit?«
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»Meistens lerne ich.« Die Lebhaftigkeit, die seine Abfuhr so brutal unterdrückt hatte, begann wieder auf ihrem Gesicht zu erscheinen. »Gräfin Vorkosigan hat mir versprochen, sie schickt mich nächstes Jahr auf die Schule nach Kolonie Beta, wenn ich den Rang in meiner Klasse beibehalte!« Das Licht in ihren Augen bündelte sich zur Schärfe eines Laserskalpells. »Und das kann ich.
Ich werde es allen zeigen. Wenn Miles das tun kann, was er tut, dann kann ich auch das meine tun.«
»Was wissen Sie darüber, was Miles tut?«, fragte er beunruhigt.
»Er hat es geschafft, die Kaiserliche Militärakademie zu absolvieren, nicht wahr?« Sie hob angeregt das Kinn. »Und alle hatten gesagt, er sei zu klein und zu kränklich, und es sei schade um ihn und er würde jung sterben. Und als er dann erfolgreich war, sagten sie, es sei nur die Gunst seines Vaters gewesen. Aber er war bei der Abschlußprüfung einer der besten seiner Klasse, und ich glaube nicht, daß sein Vater damit irgend etwas zu tun hatte.« Sie nickte mit Nachdruck und zufrieden.
Aber von wegen jung sterben, da hatten sie recht. Offensichtlich wußte sie nichts von Miles' kleiner Privatarmee.
»Wie alt sind Sie?«, fragte er.
»Achtzehn Standardjahre.«
»Ich bin … hm … zweiundzwanzig.«
»Ich weiß.« Sie beobachtete ihn, immer noch interessiert, doch etwas vorsichtiger. In ihren Augen leuchtete es plötzlich verständnisvoll auf. Sie dämpfte ihre Stimme. »Sie machen sich große Sorgen um Graf Aral, nicht wahr?«
Eine sehr mitfühlende Erklärung für seine Grobheit. »Um den Grafen, meinen Vater«, erwiderte er. Das war Miles' Ausdrucksweise. »Unter anderem.«
»Haben Sie hier schon Freunde gefunden?«
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»Ich … weiß nicht recht.« Ivan? Gregor? Seine Mutter? War einer von ihnen tatsächlich ein Freund? »Ich war noch zu sehr damit beschäftigt, Verwandte zu finden. Ich hatte zuvor auch keine Verwandten.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Und keine Freunde?«
»Nein.« Es war eine seltsame Erkenntnis, seltsam und spät. »Ich kann nicht sagen, daß mir Freunde gefehlt haben. Ich hatte immer unmittelbarere Probleme.« Immer noch.
»Miles scheint immer eine Menge Freunde zu haben.«
»Ich bin nicht Miles«, versetzte Mark, an der empfindlichen Stelle getroffen. Nein, es war nicht ihre Schuld. Er war überall empfindlich.
»Ich kann verstehen, daß …« Sie brach ab, da im benachbarten Ballsaal wieder die Musik begann. »Würden Sie gerne tanzen?«
»Ich kenne keinen eurer Tänze.«
»Das ist ein Spiegeltanz. Jedermann kann den Spiegeltanz tanzen, es ist nicht schwer.
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