Vorkosigan 11 Spiegeltanz
Norwoods Zeugnisse und Abschriften, Teile der im Computer erfaßten Personalakte des Sanitäters, die er schon in den Dateien des Sicherheitsdienstes auf Barrayar gesehen hatte, her. Norwood hatte seine Kryonik-Ausbildung für die Dendarii in einem gewissen Beauchene Life Center durchlaufen, einer geachteten kommerziellen
Kryo-Wiederbelebungsklinik auf Escobar. Der Name ›Dr. Durona‹ tauchte nirgendwo unter seinen unmittelbaren Instruktoren auf.
Er erschien nicht in einer Liste des Personals des Life Centers. Er erschien tatsächlich nirgendwo. Mark überprüfte noch einmal alles, um sicherzugehen.
Es gibt wahrscheinlich eine Menge Leute namens Durona auf Escobar. Kein so seltener Name. Er behielt die Folie trotzdem in der Hand. Sie juckte ihn in den Fingern.
Er rief Quinn an, an Bord der Ariel, die in der Nähe angedockt lag.
»Aha«, sagte sie und beäugte ihn ohne Wohlwollen im Vid. »Du bist wieder zurück. Elena hat es mir schon gesagt. Was treibst du da eigentlich?«
»Darüber zerbrich dir nicht den Kopf. Hör mal, gibt es jemanden bei den Dendarii, Sanitäter oder Medtech, der im Beauchene Life Center ausgebildet wurde? Vorzugsweise zur gleichen Zeit wie Norwood? Oder ungefähr zu seiner Zeit?«
Sie seufzte. »Es gab drei in seiner Gruppe. Den Sanitäter des Kommandos Rot, Norwood und den Sanitäter des Kommandos
Orange. Der Sicherheitsdienst hat uns auch schon danach gefragt.«
»Wo sind die beiden jetzt?«
»Der Sanitäter des Roten Kommandos wurde vor einigen Monaten bei einem Shuttleabsturz getötet …«
»Ach!« Mark fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
492
»Der Mann vom Kommando Orange ist hier auf der Ariel.«
»Prima!« krähte Mark glücklich. »Ich muß mit ihm sprechen.« Er sagte fast: Hol ihn her, dann fiel ihm ein, daß er den privaten Kanal des Sicherheitsdienstes benutzte, der sicher abgehört wurde.
»Schick mir ein Mini-Shuttle. Es soll mich abholen.«
»Erstens hat der Sicherheitsdienst ihn schon sehr ausführlich vernommen, und zweitens, wer, zum Teufel, bist du, daß du hier Befehle gibst?«
»Ich sehe, daß Elena dir noch nicht viel erzählt hat.« Seltsam.
Wog Bothari-Jeseks zweifelhafter Eid als Gefolgsfrau dann mehr als ihre Loyalität gegenüber den Dendarii? Oder war sie nur zu beschäftigt, um zu plaudern? Wie lange war er hier gewesen – er blickte auf sein Chrono. Ach, du lieber Himmel! »Ich bin zur Zeit unterwegs nach Jackson's Whole. Sehr bald. Und wenn du sehr nett zu mir bist, dann bitte ich vielleicht den Sicherheitsdienst, daß man dich mir überstellt und ich lasse dich als meinen Gast mitfliegen. Vielleicht.« Er grinste sie atemlos an.
Der vernichtende Blick, mit dem sie ihn anschaute, sagte mehr als die ordinärste Salve von Flüchen, die er je gehört hatte. Sie bewegte die Lippen – zählte sie bis zehn? –, doch es kam kein Laut aus ihrem Mund. Als sie endlich sprach, sagte sie undeutlich: »In elf Minuten ist dein Shuttle am Lukenring der Station.«
»Danke.«
Der Sanitäter war mürrisch.
»Hören Sie, ich hab das schon mitgemacht. Stundenlang. Wir sind fertig .«
»Ich verspreche Ihnen, daß ich mich kurzfasse«, versicherte ihm Mark. »Nur eine Frage.«
493
Der Sanitäter beäugte Mark feindselig. Vielleicht identifizierte er ihn zutreffend als den Grund dafür, daß er hier seit zwölf Wochen an Bord des Schiffes im Orbit von Komarr festhing.
»Als Sie und Norwood die Kryonik-Ausbildung im Beauchene Life Center mitmachten, haben Sie da einmal jemanden namens Dr.
Durona getroffen? Der vielleicht Labormaterial ausgab?«
»Dort hat es von Doktoren nur so gewimmelt. Nein. Kann ich jetzt gehen?« Der Sanitäter schickte sich an aufzustehen.
»Warten Sie!«
»Das war Ihre eine Frage. Und die Leute vom Sicherheitsdienst haben sie schon vor Ihnen gefragt.«
»Und ihnen haben Sie auch diese Antwort gegeben? Warten Sie.
Lassen Sie mich nachdenken.« Mark biß sich nervös auf die Lippe.
Der Name allein war nicht genug als Assoziation, nicht einmal für ihn. Es mußte mehr sein. »Erinnern Sie sich … daß Norwood je Kontakt hatte mit einer großen, auffallenden Frau mit eurasischen Gesichtszügen, glattem schwarzem Haar, braunen Augen … äu
ßerst elegant.« Er wagte nicht, ein Alter zu erwähnen. Es konnte irgendwo zwischen zwanzig und sechzig sein.
Der Sanitäter starrte ihn überrascht an. »Ja! Wie haben Sie das gewußt?«
»Was war sie? Was war ihre Beziehung zu Norwood?«
»Sie war auch eine Studentin, glaube ich.
Weitere Kostenlose Bücher