Vorkosigan 11 Spiegeltanz
sie versucht, die Wachen zu bewegen, die Tür zu öffnen, einmal mit einer vorgetäuschten Krankheit, und einmal mit einem echten Problem, als seine verzweifelte Erregung in eine weitere Konvulsion übergegangen war. Die Wachen hatten Rowans Arzttasche hereingereicht, was keine große Hilfe war, denn die erschöpfte Frau hatte dann nur gedroht, ihn zu sedieren.
»Überleben, Flucht, Sabotage«, rezitierte er. Es war zu einer Litanei geworden, die in einer Endlosschleife durch seinen Kopf lief. »Das ist die Pflicht eines Soldaten.«
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»Ich bin kein Soldat«, sagte Rowan und rieb sich die von dunklen Ringen umgebenen Augen. »Und Vasa Luigi wird mich nicht
umbringen, und wenn er dich umbringen wollte, dann hätte er es schon gestern abend getan. Er spielt nicht mit seiner Beute wie Ryoval.« Sie biß sich auf die Lippe; vielleicht bedauerte sie diesen letzten Satz. »Oder vielleicht wird er uns zusammen hier drinnen lassen, bis ich dich umbringe.« Sie rollte im Bett auf die andere Seite und zog sich das Kissen über den Kopf.
»Du hättest den Leichtflieger zum Absturz bringen sollen.«
Der Laut, der unter dem Kissen hervorkam, hätte ein Stöhnen oder ein Fluch sein können. Wahrscheinlich hatte er ein bißchen zu oft erwähnt, wie sehr er dies bedauerte.
Als die Tür klickte, wirbelte er herum wie von der Tarantel gestochen.
Einer der Wächter salutierte andeutungsweise und sagte höflich:
»Baron Bharaputra läßt Sie grüßen, Madame, Sir. Würden Sie sich bitte fertigmachen, um ihm und der Baronin beim Dinner Gesellschaft zu leisten. Wir werden sie nach oben eskortieren, sobald sie fertig sind.«
Das Speisezimmer der Bharaputras hatte große Glastüren, die einen Blick auf einen umfriedeten, winterlich frostigen Garten freigaben, dazu einen großen Wächter an jedem Ausgang. Der Garten schimmerte in der zunehmenden Dunkelheit. Sie waren also schon einen ganzen jacksonischen Tag hier, sechsundzwanzig Stunden und ein paar Minuten. Vasa Luigi erhob sich, als sie den Raum betraten, und auf seinen Wink hin zogen sich die Wachen wieder auf ihre Posten vor den Türen zurück, was eine Illusion von Privatsphäre vermittelte.
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Das Speisezimmer war stilvoll eingerichtet. Einzelne Couches und kleine Tische standen in einem Halbkreis um den Ausblick auf den Garten. Auf einer der Couches saß eine sehr vertraut wirkende Frau.
Ihr weißes Haar, in das sich schwarze Strähnen mischten, war in kunstvollen Zöpfen um ihren Kopf gelegt. Dunkle Augen, eine dünne, elfenbeinfarbene Haut, die von winzigen Runzeln durchzogen war, eine Nase mit hohem Rücken – Dr. Durona. Wieder einmal. Sie trug ein schönes, fließendes Seidenhemd in einem blassen Grün, das vielleicht zufällig an die Farbe der Laborkittel der Duronas erinnerte, und weiche cremefarbene Hosen. Dr. Lotus Durona, Baronin Bharaputra, hatte einen eleganten Geschmack.
Und auch die Mittel, ihm zu huldigen.
»Rowan, meine Liebe«, sagte sie mit einem Nicken und hielt Rowan die Hand hin, als erwartete sie einen höfischen Handkuß.
»Lotus«, sagte Rowan einfach und preßte die Lippen zusammen.
Lotus lächelte, drehte die Hand um und verwandelte die Geste in eine Einladung, sich zu setzen, was sie dann alle taten.
Lotus berührte eine Signaltaste an ihrem Platz, und ein Mädchen in einem Seidengewand im Braun-Rosa des Hauses Bharaputra kam herein und servierte Drinks, dem Baron zuerst. Vor ihm machte sie mit gesenkten Augen einen Knicks. Ein sehr vertraut wirkendes Mädchen, groß und gertenschlank, mit einer Nase mit hohem Rücken, und mit schönem glattem schwarzem Haar, das in ihrem Nacken zusammengebunden war und in einem Pferdeschwanz ihren Rücken hinabfloß … Als sie die Baronin bediente, schlug sie die
Augen auf; sie öffneten sich wie Blüten vor der Sonne, strahlend vor Freude. Als sie sich vor Rowan verneigte, wurde ihr aufwärts gewandter Blick bestürzt, und sie senkte verwirrt die dunklen 577
Augenbrauen. Rowan schaute ebenso bestürzt, ein Blick, in dem Schrecken aufdämmerte, als das Mädchen sich abwandte.
Als sie sich vor ihm verbeugte, runzelte sie die Stirn. »Sie …!«, flüsterte sie, als wäre sie überrascht.
»Geh weiter, Lilly, meine Liebe, gaff nicht rum«, sagte die Baronin freundlich.
Als sie das Zimmer in ihrem schwingenden Gang verließ, blickte sie verstohlen über die Schulter auf sie zurück.
»Lilly?«, würgte Rowan hervor. »Du hast sie Lilly genannt?«
»Eine kleine Rache.«
Rowan ballte tief
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