Vorkosigan 11 Spiegeltanz
sein, aber nicht so neu. Er bezweifelte, daß Naismith sich für seinen persönlichen Gebrauch mit gebrauchtem militärischen Material versorgte, egal wie er in der Flotte insgesamt wirtschaftete. »Warum nicht?« Er zuckte die Achseln. »Bin schon früher damit fertig geworden.«
»Diese Dinger«, Thorne hob seinen eigenen Helm hoch, »können am Anfang ziemlich überwältigend sein. Das ist kein Datenfluß, das ist eine verdammte Datenflut. Man muß lernen, alles zu ignorieren, was man nicht braucht, sonst ist es fast besser, man schaltet das Ding aus. Nun, du …«, Thorne zögerte, »hast diese gleiche unheimliche Fähigkeit wie der alte Tung, scheinbar alles zu ignorieren, während es vorüberströmt, und doch dich daran erinnern und es hervorholen zu können, wenn es gebraucht wird. Oder irgendwie immer zur rechten Zeit auf dem richtigen Kanal zu sein.
Es ist, als würde dein Bewußtsein auf zwei verschiedenen Ebenen arbeiten. Deine Befehlsreaktionszeit ist unglaublich schnell, wenn dein Adrenalinpegel hoch ist. Das macht irgendwie süchtig. Leute, die viel mit dir zusammenarbeiten, gewöhnen sich daran, es zu erwarten – und sich darauf zu verlassen.« Thorne verstummte und wartete.
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Welche Antwort erwartete der Hermaphrodit von ihm? Er zuckte wieder die Achseln. »Ich tue mein Bestes.«
»Wenn du dich immer noch krank fühlst, kannst du diesen ganzen Überfall an mich delegieren.«
»Sehe ich krank aus?«
»Du bist nicht du selbst. Du möchtest doch nicht das ganze Kommando anstecken.« Thorne schien nervös zu sein, fast ungeduldig.
»Mir geht es jetzt gut, Bei. Du kannst gehen.«
»Jawohl, Sir«, seufzte Thorne.
»Ist dort draußen alles bereit?«
»Das Shuttle ist aufgetankt und bewaffnet. Kampfkommando Grün ist ausgerüstet und erledigt jetzt die letzten Ladearbeiten.
Wir haben alles so getimed, daß wir genau um Mitternacht in den Parkorbit eintreten, über Bharaputras medizinischem Hauptlabor auf dem Planeten. Wir landen sofort und warten nicht darauf, daß irgendwelche Leute anfangen, Fragen zu stellen. Zuschlagen und abhauen. Die ganze Operation sollte in einer Stunde vorbei sein, wenn alles nach Plan läuft.«
»Gut.« Sein Herz schlug schneller. Er holte tief Luft und seufzte gedehnt. »Gehen wir.«
»Wollen wir … nicht zuerst unsere Helmkommunikation überprüfen, hm?«, sagte Thorne.
Das war eine gute Idee, hier in der ruhigen Kabine war es besser als in dem Lärm und der Aufregung und der Spannung im Landeshuttle. »In Ordnung«, sagte er und fügte listig hinzu: »Laß dir Zeit.«
In diesem Kommandohelm gab es, selbst für diesen beschränkten Überfall, über hundert gebräuchliche Kanäle. Zusätzlich zum 105
direkten Sprachkontakt mit der Ariel, mit Thorne und jedem Kämpfer gab es Kampfcomputer auf dem Schiff, im Shuttle und im Helm selbst. Es gab telemetrische Anzeigen jeder Art, Energiekontrollen der Waffen, Logistik-Updates. Die Helme aller Kämpfer haben Vid-Kameras, so daß er sehen konnte, was sie sahen – in den Frequenzbereichen Infrarot, Visuell und Ultraviolett. Dazu kam der volle Audiobereich, die medizinischen Anzeigen der Kämpfer und Holovid-Landkartendarstellungen. Der Holo-Plan des Klon-Internats war speziell einprogrammiert worden, dazu der Angriffsplan und einige Notfallpläne. Es gab Kanäle, die unterwegs auf die Telemetrie des Feindes eingestellt wurden.
Thorne hatte schon die Kommunikatorverbindungen der Sicherheitswachen von Haus Bharaputra angezapft. Sie konnten sogar kommerzielle Unterhaltungssendungen des Planeten empfangen, dem sie sich näherten. Blechern klingende Musik erfüllte vorübergehend die Luft, als er diese Kanäle durchschaltete.
Sie kamen zum Ende, und ihm wurde bewußt, wie er und Thorne einander in peinlichem Schweigen anschauten. Thornes Gesicht wirkte eingefallen und besorgt, als ringe er mit einer unterdrückten Emotion. Schuld? Eine seltsame Wahrnehmung, sicherlich nicht.
Thorne konnte ihn nicht durchschaut haben, denn sonst hätte er diese ganze Operation abgebrochen.
»Nervosität vor dem Kampf, Bei?«, sagte er leichthin. »Ich dachte, du liebtest deine Arbeit.«
Thorne schrak aus seiner Geistesabwesenheit hoch. »O doch, durchaus.« Der Hermaphrodit holte Luft. »Bringen wir's hinter uns.«
»Los!«, stimmte er zu und trat endlich aus seiner isolierten Kabinenhöhle in das Licht des Korridors und in die mit Menschen 106
erfüllte Realität, die seine Handlungen – seine Handlungen, geschaffen hatten.
Im
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